Zitat des Tages
„EU-Verfassung: Aktuelle Neufassung des Art. 146 Grundgesetz
Artikel. 146 GG (Geltungsdauer des Grundgesetzes)
Abs. 1: Das Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem die EUVerfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke, vertreten durch den deutschen Bundestag, dieser wiederum geführt und geleitet von den Vertretern der deutschen Wirtschaft- also in völlig freier Entscheidung - beschlossen worden ist.
Abs. 2: Danach befindet sich Deutschland erst recht in entsprechender Verfassung.“
Aus: Deutsche Einheit(z)-Textdienst von Werner Lutz 5/05
Aus: LabourNet Nachrichtensammlung, Band 25, Eintrag 6
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Am Donnerstag stimmt der Bundestag über die EU-Verfassung ab. Wer den Fraktionsvorsitzenden dazu etwas auf den Weg mitgeben möchte, kann das per Mailomat tun (siehe Link in untenstehender Mail).
Mit herzlichen Grüßen,
Angelika
Mailomat EU-Verfassung
10 May 2005 23:29:42 +0200 (MEST)
Von Dirk Pfeiffer
Morgen 12.05.05 wird über die Ratififizierung der EU Verfassung im Bundestag abgestimmt!
Die EU Verfassung ist ein zutiefst neoliberales Projekt, sie schreibt die Militarisierung und Aufrüstung fest, baut demokratische Strukturen ab, zentralisiert Entscheidungen und unterstellt sämtliche Politikbereiche dem Wettbewerbsgedanken der freien Marktwirtschaft.
Protestiert dagegen!
Der Mailomat zum Versand eines Protestbriefes an die Fraktionschefs im Bundestag ist seit gestern betriebsbereit:
http://www.attac.de/eu-verfassung/mailomat/
Text:
Empfänger:
Franz Müntefering
Katrin Göring-Eckardt
Krista Sager
Dr. Angela Merkel
Michael Glos
Dr. Wolfgang Gerhardt
Kopie an: attac-e-alert@attac.de
Betreff: Ratifizierung der EU-Verfassung am 12.05.2005
Sehr geehrte Fraktionsvorsitzende,
Für den 12.5.05 ist die Ratifizierung der EU-Verfassung durch den Deutschen Bundestag geplant. Leider ist in Deutschland im Gegensatz zu anderen Mitgliedsstaaten der EU kein Volksentscheid über den Verfassungsentwurf vorgesehen. Somit liegt die Entscheidung über diese wichtige Frage bei den Bundestagsabgeordneten und somit auch in Ihren Händen.
Die EU-Verfassung wird über unserem Grundgesetz stehen und viele Politikbereiche in die alleinige Zuständigkeit der EU überweisen und somit Ihrer parlamentarischen Mitwirkung entziehen. Dies sind m. E. Gründe genug, sich genau anzusehen, was mit der EU-Verfassung beschlossen werden soll.
Wissen Sie, dass die EU-Verfassung
- die Mitgliedsstaaten Europas verpflichtet, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern, d.h. Aufrüstung zur Pflicht macht?
- zivile und militärische Missionen im Dienst der Interessen der EU weltweit auch ohne Bindung an ein UNO-Mandat vorsieht?
- den freien Binnenmarkt und das Wettbewerbsrecht mit Verfassungsrang adelt und zum obersten Politikbereich erhebt?
- dass die Grundrechtecharta Eigentumsrechte (auch Patentrechte) weitgehend schützt, die unternehmerische Freiheit als neues Grundrecht einführt und festlegt, dass Grundrechte im Hinblick auf eine gemeinsame Marktorganisation eingeschränkt werden dürfen?
- Atomenergie als privilegierte Energiequelle zum Verfassungsgut erhebt?
Die geplante EU-Verfassung bedeutet einen dreifachen Systemwechsel gegenüber dem Grundgesetz:
1. Abkehr vom Friedensgebot des Grundgesetzes
2. Abkehr von der wirtschaftspolitischen Offenheit des Grundgesetzes
3. Abkehr vom Demokratiegebot und Subsidiaritätsprinzip durch Verlagerung substantieller Rechte auf EU-Ebene. Die erwähnte Subsidiaritätskontrolle ist in der Praxis nutzlos.
Der Vertrag über eine Verfassung für Europa ist keine Verfassung, sondern ein Konglomerat von fast 500 Seiten mit Detailregelungen besonders im Teil III und IV, die den politischen Handlungsspielraum gewählter Abgeordneter unzulässig einschränken. Ist dieser Verfassungsvertrag einmal in Kraft, lässt er sich kaum noch ändern. Das alles kann Ihnen nicht gleichgültig sein.
Ich appelliere daher eindringlich an Sie, setzen Sie sich für die Aussetzung der Ratifizierung ein! Die Diskussion über eine Verfassung für die Bürgerinnen und Bürger braucht noch Zeit.
Ich erbitte Ihre Stellungnahme.
Mit freundlichen Grüßen
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"Ja zu Europa - Nein zu dieser EU-Verfassung!"
"Bundesregierung schönt, lügt und verschweigt" - Erklärung aus der Friedensbewegung - Attac kündigt "Erklärung von Intellektuellen" an. Am 9. Mai 2005 gaben unabhängig voneinander Attac und der Bundesausschuss Friedensratschlag Mitteilungen über die EU-Verfassung an die Medien weiter. Beide beim Friedenspolitischen Ratschlag:
Ja zu Europa - Nein zu dieser EU-Verfassung! Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/presse/2005-05-09.html
Europa: Nein zu diesem EU-Verfassungsvertrag - Ja zu einem sozialen, demokratischen und friedlichen Europa. Aufruf auf Initiative aus dem wissenschaftlichen Beirat von Attac-Deutschland
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Europa/attac-anzeige.html
Aus: LabourNet Nachrichtensammlung, Band 25, Eintrag 6
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Auch einen Tag vor der Ratifizierung der EU-Verfassung durch den Bundestag darf und muss der Blick bereits in Richtung Bundesratssitzung am 27.5. gerichtet sein. Die Bundesratsentscheidung über die EU-Verfassung ist nicht ohne Hintersinn unmittelbar vor dem französischen Referendum terminiert worden.
Die Regisseure in Brüssel, Berlin und Paris versprechen sich durch das immer wahrscheinlicher werdende "Ja" der Landesregierungen mit PDS-Beteiligung ein klares und eindeutiges Signal nach Frankreich: Auch deutsche Sozialisten stimmen EU-Verfassung zu. Damit sollen die vielen schwankenden Wähler im Spektrum der sozialistischen Partei Frankreichs offenbar zu einer Stimmabgabe für den vorliegenden Entwurf bewegt werden.
Sollte die PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich auf ihr Optionsrecht und eine damit verbundene Stimmenthaltung der von ihr getragenen Landesregierungen verzichten, wäre sie auf Dauer in der deutschen Linken diskreditiert. Dies sollte der Partei nachdrücklich mit Protestmails an die PDS-Fraktionen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern deutlich gemacht werden:
pds-fraktion.kontakt@pds.parlament-berlin.de und fraktion@pds.landtag-mv.de .
Richard Kallok
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Solidarität mit dem linken französischen Nein: Ein Appell von 200 EuropäerInnen
"… In der Folge des "Appell der 200", der in Frankreich die Entwicklung einer einheitlichen Kampagne und eine sehr starke Dynamik gefördert hat, lancieren wir einen Appell von 200 EuropäerInnen. In Solidarität mit dem linken französischen Nein. Um in ganz Europa die notwendige Mobilisierung gegen diese Verfassung zu fördern…." Die Unterschriftenliste "Das linke französische Nein wird unser Nein sein!" (pdf)
http://www.labournet.de/diskussion/eu/non-soli.pdf
Aus: LabourNet Nachrichtensammlung, Band 24, Eintrag 17
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Am 12. Mai stimmt der Bundestag über die EU-Verfassung ab. Deswegen findet sich in dieser IMI-List
1) Informationen über geplante Protestaktionen gegen die Abstimmung
2) Die neuesten Ausgaben der Constitution Watch
1) Protestaktionen gegen die Ratifizierung der EU-Verfassung
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
am 12. Mai ratifiziert der Bundestag die EU-Verfassung, am 27. Mai der Bundesrat - damit soll das Referendum in Frankreich am 29. Mai positiv beeinflusst werden.
Es ist an uns, welches Bild sich einprägt, wenn an diesem Tag in der französischen Presse über das Verhältnis der Deutschen zur EU-Verfassung berichtet wird: Stimmvieh und ein triumphierender Schröder im Bundestag (oder Reichstagsgebäude) oder z.B. eine großes, aus Menschen gebildetes NON in den Farben der Trikolore davor. Und es wird sehr spannend in Frankreich: die Umfrageergebnisse ergeben wechselnde Mehrheiten.
Wir müssen klar machen: Nein zu dieser Verfassung heißt Ja zu einem anderen Europa, heißt Ja zu einem zivilen, solidarischen,
demokratischen und ökologischen Europa
Es ist geplant, den ganzen Tag Aktionen in Berlin durchzuführen. Deswegen wird es am Brandenburger Tor ab 9 Uhr bis 18 Uhr einen Infostand geben, der Anlauf- und Ausgangspunkt für die Aktionen sein wird. Weitere Infos auch unter:
http://www.eu-verfassung.com Aktiv werden
Wir rufen Euch auf: Kommt am Donnerstag 12. Mai nach Berlin!
Ab 9:00 Uhr, während der Bundestagssitzung, wird es Infos und Aktionen geben.
Formiert mit uns um 12:00h ein gemeinsames "NON"! (Der genaue Treffpunkt ist am Infostand zu erfragen).
Im Anschluss, ab 13:00 h, werden wir am Brandenburger Tor ein kleines Fest für ein "Europa von unten" feiern:
- Gäste aus Frankreich und möglicherweise weiteren europäischen Ländern werden ein Grußwort an uns richten,
- Grußbotschaften von Freunden außerhalb Europas, die uns per Post erreichen, werden deutlich machen, wie wichtig ein NEIN zu dieser EU-Verfassung auch für die außereuropäische Welt ist,
- Prominente Gegner dieser EU-Verfassung werden ihre Gründe für ein "NON" öffentlich bekannt geben,
- aus Kehl wird uns ein weiter zu füllendes Buch für ein "Europa von unten" übergeben, das uns französische Gegner der neoliberalen Verfassung am 5. Mai auf der Europa-Brücke überreicht haben weitere Vorschläge für das Europa von unten werden in das Buch eintragen, das wir dann in Europa weiterreichen,
- und natürlich werden wir musizieren und eine Polit-Zauberin wird uns mit ihren "EUrovisionen" in Erstaunen versetzen,
- auch zur Aufführung wird kommen, ein Straßentheater,
- weitere Aktionen sind in Planung und können am Infozelt in Erfahrung gebracht werden.
An was es uns fehlt, sind Menschen, die bei den Aktionen mitmachen. Also kommt und beteiligt Euch: nur mit starker Beteiligung können wir ein sichtbares NON bilden und die französischen FreundInnen unterstützen.
Zur besseren Planbarkeit benötigen wir Eure Rückmeldung wer kommen kann, an: info@eu-verfassung.com
Wir versuchen Übernachtungsplätze zu organisieren - bitte melden, wer einen benötigt, ansonsten Zimmerreservierung unter:
http://www.123berlinzimmer.de
http://www.berlin.de/tourismus-unterkunft/herbergen/index.php
mit solidarischen Grüßen,
Für den Kampagnenrat Markus Pflüger Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier,
Jürgen Wagner IMI, Roland Blach DFG-VK, Stephanie Handtmann attac-Büro
2.) Neue Ausgaben der Consitution Watch
Tobias Pflüger: CONSTITUTION WATCH: EU-Verfassungsvertrag - Nr. 7 - 07.05.2005
Die Behauptung: Wer mit NEIN stimmt, fliegt raus
In einer Presseerklärung vom 21. April 2005 betonte der Europaabgeordnete Jo Leinen: "Das Nein-Lager im französischen Referendum zur Europäischen Verfassung verbreitet mehrere Illusionen, die der Realität nicht standhalten", erklärte der Vorsitzende im Verfassungsausschuss des Europäischen Parlamentes, Jo Leinen (SPD). "Bei einem 'Nein' in Frankreich wird es keine Neuverhandlungen zum Verfassungsvertrag geben. Der Ratifizierungsprozess in den anderen EU Mitgliedsländern wird auch nicht gestoppt, sondern planmäßig weitergehen. Gegenüber den Völkern und Parlamenten, die eine Annahme der Europäischen Verfassung bereits beschlossen haben, oder noch beschließen wollen, wäre es völlig ungerecht und undemokratisch, den politischen Gesamtkompromiss zum Verfassungsvertrag aufzubrechen, und einseitig zu verändern." Und auch der dänische Premierminister droht bei einem NEIN zur EU-Verfassung mit Ausschluss. Die Zeit schrieb am 14. April 2005: "Premierminister Anders Fogh Rasmussen hat seinen Bürgern ganz offen mit dem Abschied von der EU gedroht: 'Bei einem Nein zur Verfassung droht eine ungewisse Zukunft. Dann bleibt nur noch der Austritt.'"
Der Verfassungsvertrag
Im Verfassungsvertrag ist dagegen in Artikel IV-447 festgehalten: "(1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation durch die Hohen Vertragsparteien im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften. [...] (2) Dieser Vertrag tritt am 1. November 2006 in Kraft, sofern alle Ratifikationsurkunden hinterlegt worden sind, oder andernfalls am ersten Tag des zweiten auf die Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde folgenden Monats."
Im Klartext, falls eine der Vertragsparteien den Verfassungsvertrag nicht ratifiziert, tritt er nicht in Kraft. Stattdessen gilt dann der EU-Vertrag von Nizza weiter.
Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bleiben auch nach einer Ablehnung des Verfassungsvertrages weiterhin Mitglieder. Einen Ausschluss oder einen zwingenden Austritt eines Mitgliedsstaats bei Nichtratifizierung gibt es schlicht nicht. Einen Ausschluss aus der Europäischen Union im Falle eines NEINs bei einem Verfassungsreferendum zu suggerieren, ist nichts als üble Angst- und Stimmungsmache.
Tobias Pflüger: CONSTITUTION WATCH: EU-Verfassungsvertrag - Nr. 6 - 06.05.2005
Die Behauptung: Die EU-Verfassung ist eine Alternative zu einem entfesselten Kapitalismus
Wolf Biermann, Günter Grass, Jürgen Habermas, Alexander Kluge, Michael Naumann, Gesine Schwan u. A. erklären in der Tageszeitung Le Monde vom 3. Mai 2005: "Die Verfassung erfüllt nicht alle unsere Ideale. Sie ist ein ehrlicher Kompromiss. ... Sie ist die Garantie der Produktivität des Marktes und zur gleichen Zeit die Garantie für den Schutz unserer sozialen Rechte, dadurch ist sie die einzig verlässliche und wettbewerbsfähige Alternative gegenüber dem Alptraum eines entfesselten 'ultraliberalen' Kapitalismus."
Der Verfassungsvertrag
Wichtige soziale Grundrechte sind im EU-Verfassungsvertrag nur schwach ausgeprägt. Statt eines Rechts auf Arbeit wird nur "das Recht zu arbeiten" (Art. II-75) proklamiert. Das ursprünglich einmal vorgesehene europäische Streikrecht wird von nationalem Recht abhängig gemacht (Art. II-88), wodurch legale grenzüberschreitende Streiks in der EU weiterhin praktisch unmöglich sind. Vergeblich sucht man in der Charta auch ein dem Grundgesetz entsprechendes Sozialstaatsgebot oder gar einen Sozialisierungsartikel. Stattdessen wurde ein Grundrecht der "unternehmerischen Freiheit" (Art. II-76) aufgenommen.
Welche Wirkung die Charta als Teil des Verfassungsvertrages tatsächlich entfalten kann, ergibt sich zudem aber nicht allein aus dem Wortlaut der einzelnen Grundrechte. Mit verschiedenen Bestimmungen, Erläuterungen (Erklärung Nr. 12) und Protokollen ist die Bedeutung der Grundrechte der Charta eingeschränkt und verwässert worden. In Artikel II-111 Abs. 2, heißt es: "Diese Charta dehnt den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union".
Was nichts anderes bedeutet, als das so manche Grundrechte - etwa das Recht auf Bildung (Art. II-74), die Rechte älterer Bürger (Art. II-85) oder die Bestimmungen zum Familien- und Berufsleben (Art. II-93) - in der Luft hängen, da entsprechende Zuständigkeiten der Union hier eben nicht vorhanden sind. Und in Artikel II-113 werden der Charta die Grundfreiheiten als Schranke gesetzt, wonach "keine Bestimmung dieser Charta als eine Einschränkung oder Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen" ist.
Die Grundfreiheiten sind aber nichts die wirtschaftsliberalen Rechte des freien Personen-, Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalverkehrs. (I-4) Hierin die Alternative zu einem "entfesselten 'ultraliberalen' Kapitalismus" zu sehen, ist abwegig.
Tobias Pflüger: CONSTITUTION WATCH: EU-Verfassungsvertrag - Nr. 5 - 05.05.2005
Die Behauptung: Ständige Verbesserung der EU-Verfassung möglich
Herta Däubler-Gmelin behauptet in einem Interview mit dem Tagblatt ANZEIGER vom 4. Mai 2005, dass die "berechtigte Kritik an einzelnen Punkten" des EUVerfassungsvertrags nach dessen Ratifizierung bei Vertragsänderungen berücksichtigt werden könnte. "Einführen und ständig verbessern, wäre wirklich die bessere Devise", so die ehemalige Ministerin.
Der Verfassungsvertrag
Das für Vertragsänderungen vorgesehene Verfahren setzt laut Artikel IV-443 (2), (3) erneut einen Verfassungskonvent, anschließend eine Konferenz der Regierungsvertreter und letztendlich die Ratifizierung durch alle Mitgliedsstaaten voraus: "Beschließt der Europäische Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der Kommission mit einfacher Mehrheit die Prüfung der vorgeschlagenen Änderungen, so beruft der Präsident des Europäischen Rates einen Konvent von Vertretern der nationalen Parlamente, der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission ein. [...] Der Konvent prüft die Änderungsentwürfe und nimmt im Konsensverfahren eine Empfehlung an, die an eine Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten [...] gerichtet ist. [...] Änderungen treten in Kraft, nachdem sie von allen Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert worden sind."
Für die von Däubler-Gmelin als realistisch dargestellte, spätere ständige Verbesserung des Verfassungsvertrags ist also eine Zustimmung durch alle 25 bzw. durch die ab 2007 mindestens 27 oder später noch mehr EU-Staaten notwendig. Per Mehrheitsentscheidung der Mitgliedstaaten oder durch ein Bürgerbegehren lassen sich die einmal getroffenen Regelungen nicht ändern. Die Option, dem Vertragsvertrag trotz Bedenken zuzustimmen und sich Verbesserungen für die Zukunft vorzubehalten, erscheint insofern wenig aussichtsreich. Das Kind in den Brunnen zu werfen, um später zu versuchen es, unter schwierigsten Bedingungen zu retten, ist eine merkwürdige politische Perspektive.
Tobias Pflüger: CONSTITUTION WATCH: EU-Verfassungsvertrag - Nr. 4 - 16.04.2005
Die Behauptung: Mit EU-Verfassungsvertrag soziale Union möglich
Franz Müntefering (SPD-Vorsitzender) betonte in seiner Rede zum neuen Grundsatzprogramm der SPD laut Süddeutscher Zeitung vom 13. April 2005 im Rahmen seiner Kapitalismuskritik, "die EU müsse sich entscheiden, ob sie dem Markt 'Schneisen schlagen' wolle, die auch die sozialstaatlichen Aufgaben berührten, oder ob sie im Sinne der EU-Verfassung gemeinsam mit den Nationalstaaten eine 'demokratische und soziale Union' bilden wolle."
Der Verfassungsvertrag
Die Behauptung von Franz Müntefering, dass im Sinne der EU-Verfassung eine soziale Union zu bilden sei, ist durch den Verfassungsvertrag nicht zu substantiieren. Im Gegenteil: Neoliberale Wirtschaftspolitik soll im neuen EU-Vertrag Verfassungsrang erhalten und wird mit klaren Vorgaben versehen.
"Die Mitgliedstaaten und die Union handeln im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb", heißt es in Artikel III-178. So soll die "Festlegung und Durchführung einer einheitlichen Geld- sowie Wechselkurspolitik (…) vorrangig das Ziel der Preisstabilität verfolgen (…)" (Art. III-177).
Eine rigorose Stabilitätspolitik erhält damit trotz enormer Arbeitslosigkeit und wachsender sozialer Spaltung in der EU Priorität. Zugleich hat die "Beschäftigungspolitik im Einklang mit den (…) Grundzügen der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Union" zu stehen (Art. III-204) und ist damit dem Grundsatz einer "offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" untergeordnet. Auch sind die Artikel der Grundrechtecharta zu Arbeit und Sozialschutz schlicht unzureichend.
Statt eines Rechts auf Arbeit wird nur "das Recht zu arbeiten" proklamiert (Art. II-75). Das ursprünglich vorgesehene europäische Streikrecht wird nunmehr von nationalem Recht abhängig gemacht. Damit werden legale grenzüberschreitende Streiks praktisch unmöglich gemacht (Art. II-88). Das "Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit" (Art. II-94) wird vom "Unionsrecht und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten" abhängig gemacht. Alles insgesamt also keine Grundlage für eine soziale Union.
Tobias Pflüger: CONSTITUTION WATCH: EU-Verfassungsvertrag - Nr. 3 - 08.04.2005
Die Behauptung: EU-Verfassung besser für Demokratie
Martin Schulz (Sozialdemokratischer Fraktionsvorsitzender im EU-Parlament) auf
http://www.tagesschau.de am 25. März 2005:
"Die Verfassung stellt an die Spitze der mächtigsten Regierung in Europa einen Kommissionspräsidenten, der durch das Europäische Parlament gewählt wird - auf der Grundlage der Ergebnisse der letzten Europawahl. Die Bürger haben endlich unmittelbaren Einfluss: Also: Wenn ich einen sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten haben will, wähle ich die SPD in Deutschland oder die Labour-Party in England. Wenn ich will, dass der Präsident ein Christdemokrat ist, dann wähle ich in Deutschland die CDU oder in Großbritannien die Tories. Damit wird die Europawahl zu einer echten Wahl."
Der Verfassungsvertrag
In Artikel I-27 der EU-Verfassung heißt es: "Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament nach entsprechender Konsultation mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament." Das heißt: Das Parlament kann wählen, aber es steht nur ein einziger Kandidat zur Wahl. Bei aber nur einem Kandidaten kann von einer echten Wahl nicht gesprochen werden.
Schulz verschweigt, dass sich im Vergleich zum geltenden Nizza-Vertrag praktisch nichts ändern wird. Laut Nizza-Vertrag muss das EU-Parlament seine Zustimmung geben - mehr darf es nicht. Wie im Verfassungsvertrag auch kann es weder Kandidaten selbst bestimmen, noch aus vorgeschlagenen Kandidaten einen auswählen.
In Artikel 214 Nizza-Vertrag heißt es: "Die Regierungen der Mitgliedstaaten benennen im gegenseitigen Einvernehmen die Persönlichkeit, die sie zum Präsidenten der Kommission zu ernennen beabsichtigen, diese Benennung bedarf der Zustimmung des Europäischen Parlaments."
Zur Zeit stellen die Konservativen die Mehrheit im Europäischen Rat. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich daher auf den Konservativen Barroso als Kommissionspräsident. An diesem Verfahren wird sich mit dem EU-Verfassungsvertrag nichts ändern. Eine echte Wahl findet nicht statt. Die Demokratisierung bleibt aus.
Aus: Attac-eu-info