UMTS-SENDER
Von Sebastian Knauer
Angesichts wachsender Proteste verkaufen findige Unternehmen getarnte Mobilfunk-Sender. Doch trotz Antennen-Mimikry fallen die Immobilien-Preise in der Nachbarschaft - aus Angst vor Gesundheitsschäden.
Die Marienkirche im sachsen-anhaltinischen Wittenberg ist ein ehrwürdiges Bauwerk. Seit der Reformationszeit erheben sich die Doppeltürme über dem zentralen Platz der Stadt. Unter der Dachkante des rechten Glockenturms ist hinter einer farbangepassten Spezialplatte im Mauerwerk modernste Technik versteckt: eine leistungsstarke Richtfunkantenne für den Mobilfunk.
Eine clevere Lösung fand auch eine Kirchengemeinde im baden-württembergischen Stuttgart-Sommerain. Um alle vier Himmelsrichtungen mit leistungsstarken Richtfunkantennen abzudecken, wurde ein kupfergedeckter Turm nachgerüstet. Hinter dem Imitat aus glasfaserverstärktem Kunststoff pulst die Antenne für den Handy-Empfang.
„Vom bloßen Anblick bedroht“
Der Kirchenvorstand nahm bei einem Besichtigungstermin die trickreich versteckte Technikanlage ab. „Unser Auftraggeber war sehr zufrieden“, erinnert sich Heiner Jahn von der Gelsenkirchener Firma Nautico, „nur die Nachwitterung des grünen Kupfers macht noch Probleme.“ Während sich bundesweit rund 1500 Bürgerinitiativen gegen die Aufstellung zusätzlicher Mobilfunkmasten organisiert haben, gehen die Hersteller ganz neue Wege. „Antennen, die man nicht sieht“, verspricht etwa die Dresdner Firma TeleCommunikation Service, die „Antennenhüllen“ vertreibt. Damit werde die „Nutzung sensibler und exponierter Standorte“ möglich, bei denen Anwohner oder Eigentümer sich „schon vom bloßen Anblick der Antennen bedroht fühlen.
Das Mobilfunk-Mimikry soll den wachsenden Widerstand gegen die vermutete Strahlengefahr brechen. Ob die Strahlen tatsächlich schädlich sind, darüber streiten Experten aber so heftig wie auf kaum einem anderen Gebiet der Umweltforschung. Die weltweit rund tausend bislang erstellten Studien über Krebsgefahren, Gewebeschädigungen oder Zellveränderungen durch die relativ junge Technik ergeben immer noch kein klares Bild.
Mit dem Aufbau des UMTS-Netzes gewinnt die alte Gefahren-Debatte jedoch neue Brisanz. Von den Betreibern werden die Folgewirkungen des neuen Mobilfunkstandards zwar als unproblematisch angesehen. „Wir bleiben unter den Grenzwerten“, sagt etwa Fritz Lauer, Leiter der Umwelttechnik von T-Mobile, „auch wenn sich die Gesamtbelastung um 50 Prozent erhöht.“ Anders als bei dem bereits eingeführten Mobilfunk-Netz nach dem Standard GSM vermindert sich die Belastung aus den Endgeräten, da die elektromagnetischen Wellen in kleinen Paketen verschickt werden.
UMTS-Aufbau um Monate zurück geworfen
Doch dafür muss die Republik flächendeckend mit neuen Sendemasten zugestellt werden. Fachleute gehen von 100.000 neuen oder aufgerüsteten Richttürmen und Antennen aus, die demnächst vor allem in Wohngebieten montiert werden müssen. „Gute Standorte sind schon heute knapp“, urteilt Antennenfachmann Jahn.
Versteckspiele mit Nautico: Die Angst vor dem Elektrosmog öffnet neue Geschäftsfelder
Für den O2-Chef Rudolf Gröger haben die Proteste den Zeitplan für den Aufbau des teuer bezahlten UMTS-Netzes jetzt schon „um drei Monate“ zurückgeworfen. Nachdem jetzt selbst die Handy-Hochburg München öffentliche Gebäude für neue Sendemasten gesperrt hat, kommen die Betreiber und möglicherweise demnächst die Bundesregierung unter Druck.
Milliarden-Rückforderungen angedroht
Einerseits habe der Staat rund 50 Milliarden Euro für die UMTS-Lizenzen kassiert. Doch jetzt stocke der Aufbau der notwendigen Netze auch durch kommunalen Einspruch. Schon droht O2-Chef Gröger mit der Rückforderung der Milliarden, denn nach dem UMTS-Vertrag müssen bis Ende 2003 mindestens 25 Prozent der Bevölkerung erreicht werden - sonst kann die Lizenz entschädigungslos zurück gegeben werden.
Um doch noch die nötigen Sende-Standorte zu finden, durchkämmen eigens geschulte Nautico-Mitarbeiter im Auftrag der Kommunikationskonzerne Stadt für Stadt. Diskret werden dann Vorverhandlungen mit den Eigentümern zur Errichtung eines Antennenturms geführt. „Je höher umso besser“, sagt Nautico-Chef Jahn.
Im Münchener Stadtteil Schwabing bekommt ein Bäckermeister in der Kaiserstraße 11 nach eigenen Angaben monatlich rund 340 Euro für die Aufstellung eines MobilCom-Turms auf einem seiner Mietshäuser. Er hat einen Zehnjahresvertrag geschlossen, der insgesamt 40.000 Euro einbringt. Proteste der Mieter aus der Nachbarschaft beantworte der Bäcker mit der Einschätzung: „Eine Aspirin ist gefährlicher“.
Wohnungen „schlecht vermittelbar“
Die Aufstellung von Mobilfunkanlagen kann aber auch zum Verlustgeschäft werden. „Solche Objekte werden von Käufern zunehmend gemieden“, urteilt der Münchner Makler Hubertus von Medinger. „Wenn sich das rumspricht, werden die Masten schnell wieder schnell verschwinden“. Als „schlecht vermittelbar“ gelten inzwischen eigengenutzte Wohnbauten auch in der Nähe von Sendemasten. „Ich würde da bei alternativen Angeboten auch nicht kaufen“ sagt der Vorsitzende des Haus -und Grundbesitzervereins München, Rudolf Stürzer. Richtig teuer wurde die Entscheidung eines Immobilienverkäufers in München-Solln, noch schnell vor dem Verkauf einen Nutzungsvertrag für eine Mobilfunkanlage abzuschließen. Den Preis der denkmalgeschützten Gründerzeitvilla musste er wegen der Antenne um 300.000 Mark senken.
http://www.buergerwelle.de/d/doc/aktuell/crash.htm
Angesichts wachsender Proteste verkaufen findige Unternehmen getarnte Mobilfunk-Sender. Doch trotz Antennen-Mimikry fallen die Immobilien-Preise in der Nachbarschaft - aus Angst vor Gesundheitsschäden.
Die Marienkirche im sachsen-anhaltinischen Wittenberg ist ein ehrwürdiges Bauwerk. Seit der Reformationszeit erheben sich die Doppeltürme über dem zentralen Platz der Stadt. Unter der Dachkante des rechten Glockenturms ist hinter einer farbangepassten Spezialplatte im Mauerwerk modernste Technik versteckt: eine leistungsstarke Richtfunkantenne für den Mobilfunk.
Eine clevere Lösung fand auch eine Kirchengemeinde im baden-württembergischen Stuttgart-Sommerain. Um alle vier Himmelsrichtungen mit leistungsstarken Richtfunkantennen abzudecken, wurde ein kupfergedeckter Turm nachgerüstet. Hinter dem Imitat aus glasfaserverstärktem Kunststoff pulst die Antenne für den Handy-Empfang.
„Vom bloßen Anblick bedroht“
Der Kirchenvorstand nahm bei einem Besichtigungstermin die trickreich versteckte Technikanlage ab. „Unser Auftraggeber war sehr zufrieden“, erinnert sich Heiner Jahn von der Gelsenkirchener Firma Nautico, „nur die Nachwitterung des grünen Kupfers macht noch Probleme.“ Während sich bundesweit rund 1500 Bürgerinitiativen gegen die Aufstellung zusätzlicher Mobilfunkmasten organisiert haben, gehen die Hersteller ganz neue Wege. „Antennen, die man nicht sieht“, verspricht etwa die Dresdner Firma TeleCommunikation Service, die „Antennenhüllen“ vertreibt. Damit werde die „Nutzung sensibler und exponierter Standorte“ möglich, bei denen Anwohner oder Eigentümer sich „schon vom bloßen Anblick der Antennen bedroht fühlen.
Das Mobilfunk-Mimikry soll den wachsenden Widerstand gegen die vermutete Strahlengefahr brechen. Ob die Strahlen tatsächlich schädlich sind, darüber streiten Experten aber so heftig wie auf kaum einem anderen Gebiet der Umweltforschung. Die weltweit rund tausend bislang erstellten Studien über Krebsgefahren, Gewebeschädigungen oder Zellveränderungen durch die relativ junge Technik ergeben immer noch kein klares Bild.
Mit dem Aufbau des UMTS-Netzes gewinnt die alte Gefahren-Debatte jedoch neue Brisanz. Von den Betreibern werden die Folgewirkungen des neuen Mobilfunkstandards zwar als unproblematisch angesehen. „Wir bleiben unter den Grenzwerten“, sagt etwa Fritz Lauer, Leiter der Umwelttechnik von T-Mobile, „auch wenn sich die Gesamtbelastung um 50 Prozent erhöht.“ Anders als bei dem bereits eingeführten Mobilfunk-Netz nach dem Standard GSM vermindert sich die Belastung aus den Endgeräten, da die elektromagnetischen Wellen in kleinen Paketen verschickt werden.
UMTS-Aufbau um Monate zurück geworfen
Doch dafür muss die Republik flächendeckend mit neuen Sendemasten zugestellt werden. Fachleute gehen von 100.000 neuen oder aufgerüsteten Richttürmen und Antennen aus, die demnächst vor allem in Wohngebieten montiert werden müssen. „Gute Standorte sind schon heute knapp“, urteilt Antennenfachmann Jahn.
Versteckspiele mit Nautico: Die Angst vor dem Elektrosmog öffnet neue Geschäftsfelder
Für den O2-Chef Rudolf Gröger haben die Proteste den Zeitplan für den Aufbau des teuer bezahlten UMTS-Netzes jetzt schon „um drei Monate“ zurückgeworfen. Nachdem jetzt selbst die Handy-Hochburg München öffentliche Gebäude für neue Sendemasten gesperrt hat, kommen die Betreiber und möglicherweise demnächst die Bundesregierung unter Druck.
Milliarden-Rückforderungen angedroht
Einerseits habe der Staat rund 50 Milliarden Euro für die UMTS-Lizenzen kassiert. Doch jetzt stocke der Aufbau der notwendigen Netze auch durch kommunalen Einspruch. Schon droht O2-Chef Gröger mit der Rückforderung der Milliarden, denn nach dem UMTS-Vertrag müssen bis Ende 2003 mindestens 25 Prozent der Bevölkerung erreicht werden - sonst kann die Lizenz entschädigungslos zurück gegeben werden.
Um doch noch die nötigen Sende-Standorte zu finden, durchkämmen eigens geschulte Nautico-Mitarbeiter im Auftrag der Kommunikationskonzerne Stadt für Stadt. Diskret werden dann Vorverhandlungen mit den Eigentümern zur Errichtung eines Antennenturms geführt. „Je höher umso besser“, sagt Nautico-Chef Jahn.
Im Münchener Stadtteil Schwabing bekommt ein Bäckermeister in der Kaiserstraße 11 nach eigenen Angaben monatlich rund 340 Euro für die Aufstellung eines MobilCom-Turms auf einem seiner Mietshäuser. Er hat einen Zehnjahresvertrag geschlossen, der insgesamt 40.000 Euro einbringt. Proteste der Mieter aus der Nachbarschaft beantworte der Bäcker mit der Einschätzung: „Eine Aspirin ist gefährlicher“.
Wohnungen „schlecht vermittelbar“
Die Aufstellung von Mobilfunkanlagen kann aber auch zum Verlustgeschäft werden. „Solche Objekte werden von Käufern zunehmend gemieden“, urteilt der Münchner Makler Hubertus von Medinger. „Wenn sich das rumspricht, werden die Masten schnell wieder schnell verschwinden“. Als „schlecht vermittelbar“ gelten inzwischen eigengenutzte Wohnbauten auch in der Nähe von Sendemasten. „Ich würde da bei alternativen Angeboten auch nicht kaufen“ sagt der Vorsitzende des Haus -und Grundbesitzervereins München, Rudolf Stürzer. Richtig teuer wurde die Entscheidung eines Immobilienverkäufers in München-Solln, noch schnell vor dem Verkauf einen Nutzungsvertrag für eine Mobilfunkanlage abzuschließen. Den Preis der denkmalgeschützten Gründerzeitvilla musste er wegen der Antenne um 300.000 Mark senken.
http://www.buergerwelle.de/d/doc/aktuell/crash.htm
Starmail - 21. Feb, 13:11