30
Aug
2005

Spitzenverdiener würden durch Kirchhof nicht belastet, sondern massiv entlastet

'Wahlkampfmunition'

Attac Deutschland Pressemitteilung Frankfurt, 30. August 2005

* Attac deckt Rechenfehler in aktueller Spiegel-Ausgabe auf: Spitzenverdiener würden durch Kirchhof nicht belastet, sondern massiv entlastet

* Attac fordert einfaches, aber gerechtes Steuersystem

"Die von Paul Kirchhof angestrebte Radikal-Steuerreform belastet die Besserverdiener weit mehr als angenommen", schreibt der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. Als Beleg dient eine Modellrechnung: Ein verheirateter Manager mit einem Jahresbrutto von 300.000 Euro und weiteren Einnahmen von 50.000 Euro zahlt nach Berechnung des Spiegel nach Kirchhofs Modell 68.224 Euro Steuern; nach dem derzeitigen Recht werden, so der Spiegel, inklusive Soldaritätszuschlag nur 61.648 Euro fällig.

Doch wie die Attac-AG Steuern beim Nachrechnen feststellte, ist diese Zahl falsch. Bei dem vom Spiegel angesetzten zu versteuernden Einkommen von 229.846 Euro fallen nach der geltenden Splittingtabelle plus Solidaritätszuschlag derzeit
85.145 Euro Steuern an. Daraus folgt: Der Manager aus dem Spiegel-Beispiel wird durch Kirchhof keineswegs zusätzlich belastet, sondern vielmehr um knapp 17.000 Euro jährlich entlastet. "Die Auswirkungen von Kirchhofs Einheitssteuersatz sind klar: Riesige Geschenke für die Spitzenverdiener", sagte Sven Giegold von der Attac-AG Steuern. "Die Spiegel-Aussage, das Kirchhof-Modell sei 'sozialer als die meisten glauben', beruht auf einer peinlichen Milchmädchenrechnung."

Wie das Steuersystem vereinfacht werden könnte, ohne dabei wie im Kirchhof-Modell die Staatsfinanzen zu ruinieren und Gutverdiener zu beschenken, haben Attac, ver.di und die IG Metall mit ihrem gemeinsamen Modell für eine "solidarische Einfachsteuer" gezeigt: Diese sieht vor, Steuerschlupflöcher für Konzerne und Spitzenverdiener konsequent zu schließen, den progressiven Steuertarif in modifizierter Form beizubehalten
(Grundfreibetrag 8000 Euro, Eingangssatz 15 Prozent) und den Spitzensteuersatz (ab 60.000 Euro) wieder auf das Niveau von
45 Prozent anzuheben. Giegold: "Es geht auch einfach und gerecht - statt, wie bei Kirchhof, einfach ungerecht."

Weitere Informationen zur Solidarischen Einfachsteuer:
* http://www.attac.de/presse/presse_ausgabe.php?id=318


Malte Kreutzfeldt Pressesprecher Attac Deutschland
Post: Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M Tel.: 069/900 281-42, Mail: presse@attac.de, Fax: 069/900 281-99


-- Angelika Shams * Mitglied im Attac-Bundeskoordinierungskreis Egertstraße 12 * 75365 Calw-Stammheim * email: shams@attac.de Fon: 07051 / 935 675 * 0179 / 513 41 59 * Fax: 07051 / 935 677

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Wie Euch mittlerweile sicherlich bekannt, hat der Spiegel irreführende, falsche Angaben des "Heidelberger Instituts für Steuerrecht" (Kirchhof) ohne eigene Überprüfung übernommen. Mit diesen Angaben wurde der Anschein erweckt, als ob mit dem von Kirchhof vorgelegten Modell (FlatTax) die hohen Einkommen deutlich stärker als bisher belastet würden.

Nachdem Attac dies aufgedeckt hatte, nahm der Spiegel den betreffenden Artikel aus dem Netz (die betreffenden Seiten sind in der ePaper-Ausgabe 'aus rechtlichen Gründen' nicht mehr abrufbar). Statt dessen gab es in der online-Ausgabe eine Korrektur der ursprünglichen Ausgaben.

Die Fehler bleiben aber letztlich bestehen:

- ursprüngliche Zahlengrundlage:
a) Spiegel: Mehrbelastung Einkommen 300.000,- um 6.576,-
b) Attac: Entlastung Einkommen 300.000,- um 16.901,-

- korrigierte Zahlengrundlage:
a) Spiegel: Mehrbelastung Einkommen 300.000,- um 6.596,-
b) Attac: Mehrbelastung Einkommen 300.000,- um lediglich 927,-

Mit herzlichen Grüßen, Angelika


* Spiegel-Stellungnahme zu Attac-Vorwürfen:
* Mehr Fragen als Antworten

Als Reaktion auf die Attac-Vorwürfe, im aktuellen Heft mit falschen Zahlen für die Kirchhof-Reform zu werben
( http://www.attac.de/presse/presse_ausgabe.php?id=482 ), hat der Spiegel eine Korrektur seiner Angaben ins Internet gestellt
( http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,372262,00.html bzw. unten in der Mail).

Dabei wird zwar eingeräumt, dass die im aktuellen Heft abgedruckte Tabelle falsch ist. Allerdings, so der Spiegel, sei das Endergebnis korrekt; bei der Berechnung fehlten lediglich einige Posten, die unter dem bisherigen Steuerrecht abzuziehen seien. Die korrigierten Angaben werfen mehr Fragen auf, als dass sie Erklärungen liefern.

Erstens bei den Zahlen und Rechnungen; folgende Punkte hat der Spiegel bei der Berechnung nach dem derzeitigen Steuerrecht korrigiert:

- Neu aufgenommen wurde "Erhaltungsaufwand" für die zwei Villen in Höhe von 24.903 Euro: Die krumme Zahl (nach mündlichen Spiegel-Angaben ein "Durchschnittswert") kann schon den Eindruck erwecken, dass hier die Annahmen so angepasst worden sind, dass am Ende das gewünschte Ergebnis rauskommt. Solange die Berechnungsgrundlagen nicht offengelegt werden, ist diese Zahl ebensowenig überzeugend wie der angegebene Wert von 100.000 Euro für Abschreibung und Zinsen. Die Wahl von "zwei denkmalgeschützten Villen" für das Beispiel legt zudem den Verdacht nahe, dass hier Einzelfälle als Massenphänomen dargestellt werden sollen, denn das Angebot an denkmalgeschützten Häusern dürfte eng begrenzt sein.

- Von den 10.000 Euro Aktiendividenden müssen nur 5000 versteuert werden: Diese Korrektur ist einleuchtend.

- Bei "Vorsorgeaufwendungen, Sonderaufgaben" ist der Betrag von 4.776 auf 27.900 Euro erhöht worden. Dieser Wert (der sich nach mündlichen Spiegel-Angaben aus 20.000 Euro pro Person, die zu 60 % ansetzbar sind, plus einer Pauschale von 3.900 Euro zusammensetzt), ist falsch. Abgezogen werden müssen die steuerfreien Arbeitgeberanteile in Höhe von 6.084 Euro. Überhaupt nicht einleuchtend ist zudem die Tatsache, dass die zusätzlichen Vorsorgeaufwendungen im Kirchhof-Modell nicht abgesetzt werden. Im Gegenteil sieht sein Modell (gemäß dem Konzept der nachgelagerten Rentenbesteuerung) vor, dass diese Beiträge langfristig in voller Höhe abgesetzt werden können. Umgesetzt werden soll das über einen noch nicht näher spezifizierten Stufenplan. Realistisch ist es daher, diese Beiträge (ohne die Pauschale von 3900 Euro) auch bei Kirchhof in gleicher Höhe wie im geltenden Recht abzusetzen.

Selbst wenn man die (unrealistisch bis unseriös erscheinenden) Annahmen aus dem Spiegel zugrunde legt, zahlt der fiktive Manager bei Kirchhof also nicht, wie vom Spiegel berechnet, 6.695 Euro mehr, sondern gerade mal 927 Euro. (Details zur Rechnung und den Grundlagen im angehängten Dokument der AG Steuern.)

Ein zweiter Aspekt, der mindestens so schwerwiegend ist wie die Fehler in der Berechnung, sind die Arbeitsmethoden des Spiegel: Wie die Redaktion in ihrer Richtigstellung einräumt, stammen die Daten in weiten Teilen von Paul Kirchhofs Institut selbst. ("Die Berechnungen wurden von Kirchhofs 'Institut für Finanz- und Steuerrecht' vorgelegt.") Auf Nachfragen, etwa wieso die Vorsorgeaufwendungen in der Kirchhof-Berechnung nicht abgesetzt wurde, verwies die Spiegel-Redaktion direkt an Kirchhof. (Mail-Zitat des Autors: "ich kann Ihnen dafür keine exakte Quelle nennen und würde Sie bitten, direkt am Heidelberger Institut für Steuerrecht von Professor Kirchhof nachzufragen".)

Fazit: In der Hochphase des Wahlkampfs stützt der Spiegel seine Recherchen zum zentralen Wahlkampfthemas im Wesentlichen auf den derzeit wichtigsten CDU-Wahlkämpfer. Das Ergebnis ist sichtbar, ein Kommentar erübrigt sich.

Frankfurt, 1.9.05 Attac Deutschland


Malte Kreutzfeldt Pressesprecher Attac Deutschland
Post: Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M Tel.: 069/900 281-42, Mail: presse@attac.de, Fax: 069/900 281-99


IN EIGENER SACHE

SPIEGEL korrigiert Kirchhof-Zahlen

In der aktuellen Ausgabe berichtet der SPIEGEL über das Steuermodell des Finanzexperten Paul Kirchhof. Bei der dort abgedruckten Berechnung gibt es einen offenkundigen Fehler.

Hamburg - Bei der Modellrechnung handelt es sich um den Vergleich der Besteuerung eines fiktiven Managers mit 300.000 Euro Jahresgehalt nach dem jetzigen Steuerrecht und dem von Kirchhof geplanten. Dabei wurden mehrere nach heutigem Steuerrecht mögliche Abschreibungsvarianten zugrunde gelegt. Demgegenüber gestellt wurde die Berechnung nach dem Kirchhofschen Modell, das kaum Abschreibungsmöglichkeiten vorsieht.

Die Berechnungen wurden von Kirchhofs "Institut für Finanz- und Steuerrecht" vorgelegt. Bei den von den Steuerexperten angestellten Berechnungen wurden in der Spalte "bisherige Rechtslage" drei steuerabzugsfähige Aufwendungsarten mitberechnet, aber dem SPIEGEL nicht beziehungsweise falsch übermittelt und deshalb in der Grafik nicht korrekt dargestellt. Es handelte sich dabei um Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 27.900 Euro, Erhaltungsaufwand für zwei fiktive Immobilien in Höhe von 24.903 Euro und die Steuerfreiheit von 50 % der Aktiendividende in Höhe von 5.000 Euro.

Deshalb wird in der Grafik das nach bisheriger Rechtslage zu versteuernde Einkommen zu hoch angegeben und die verbleibende Steuerschuld zu niedrig. Werden, wie in dem Planspiel vorgesehen, die theoretisch abzugsfähigen Posten berücksichtigt, geht die Rechnung auf. Außerdem verfälscht ein Zahlendreher die Steuersumme nach dem Kirchhof-Modell. Statt 68.224 Euro muss es heißen 68.244 Euro. Der SPIEGEL-Redaktion ist der Übermittlungsfehler des Kirchhof-Instituts bei der Endkontrolle leider nicht aufgefallen.


Angelika Shams * Mitglied im Attac-Bundeskoordinierungskreis Egertstraße 12 * 75365 Calw-Stammheim * email: shams@attac.de Fon: 07051 / 935 675 * 0179 / 513 41 59 * Fax: 07051 / 935 677
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