18
Aug
2005

Mikrowellen wehren Raketen ab

Mehrmals stand die Gefahr unmittelbar bevor: Im November 2003 musste eine Maschine der deutschen Frachtfirma DHL notlanden, als sie in Bagdad nach dem Start von einer Rakete getroffen wurde. Ein Jahr zuvor entkamen die 271 Passagiere der israelischen Fluggesellschaft Arkia nur um Haaresbreite im kenianischen Mombasa einer Katastrophe, weil die Terroristen mit ihren Geschossen offenbar nicht richtig zielen konnten.

HB DÜSSELDORF. Sicherheitsexperten sind sich einig: Die Bedrohung ziviler Flugzeuge durch mobile, von der Schulter abgefeuerte Flugabwehrraketen ("Manpads") steigt. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit bis zu 30 extremistische Vereinigungen über diese Boden-Luft-Raketen verfügen. Völlig offen ist bislang, ob und wie sich die zivile Luftfahrt vor dieser Bedrohung schützen kann.

Die Rüstungsindustrie forscht deshalb an einer Reihe von Technologien. Dahinter steht auch politischer Druck: Die US-Heimatschutzbehörde hat Firmen wie Northrop Grumman, BAE Systems oder Raytheon beauftragt, die militärischen Raketenabwehrsysteme auf ihre zivile Tauglichkeit zu testen und neue Lösungen zu erforschen. Ziel der Regierung ist es, die knapp 7 000 US-Passagierflugzeuge gegen die Manpads zu schützen. Pikant daran: Konzerne wie Raytheon sind auch die führenden Hersteller der mobilen Raketenwaffen.

Dafür gilt ein Konzept von Raytheon gegen die eigenen Produkte als vielversprechend. Infrarotsensoren am Boden schaffen einen "Schutzraum" über dem Flughafen, der das Eindringen einer Rakete in den Start- und Lande-Luftraum meldet. Eine Maschine in Reiseflughöhe ist für die kleinen Raketen zu hoch. Kern des Konzepts ist eine Anlage, die dann gezielte Hochleistungs-Mikrowellen zur Ablenkung der Raketen erzeugt. Der Clou daran: Nicht hunderte Flugzeuge werden mit der Raketenabwehr ausgerüstet, sondern nur die Flughäfen.

Selbst Wettbewerber von Raytheon sehen das Potenzial des Konzepts. Doch auf der praktischen Ebene sind noch Fragen offen, zum Beispiel die der Wirkung der Mikrowellen auf die sensible Elektronik anderer Flugzeuge. "Wenn schon ein Handy an Bord eine Gefahr darstellt, wie steht es dann mit elektromagnetischen Feldern?", fragt Sascha Lange, Rüstungsexperte bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik. Auch müssen die Sensoren bei großen Flughäfen ein riesiges Gebiet abdecken: 40 Kilometer Ausdehnung am Boden und eine Höhe bis zu 10 000 Meter - dafür wäre eine sehr hohe Anzahl vonnöten.

Weil die Flughafensicherung noch Zukunftsmusik ist, kreist die aktuelle Diskussion vor allem um Abwehrsysteme, die sich im Flugzeug selbst installieren lassen. Derzeit stehen mehrere militärische Technologien zu Verfügung: Die gängigste sind so genannte Fackeln ("Flares"), die im Fall eines Angriffs mit einer Rakete vom Flugzeug abgeworfen werden und das mit einem Infrarotsuchkopf ausgerüstete Geschoss verwirren. Einem ähnlichen Prinzip folgt der "Laser Jammer": Ein Laser-Spektrum erfasst den Sucher der Rakete und lenkt sie ab.

Auf die Zerstörung der Rakete zielt hingegen der Einsatz von Hochenergielasern. Tests in den USA haben gezeigt, dass diese sogar in der Lage sind, Artilleriegeschosse abzufangen. Sie könnten auch moderne Manpads, deren Sensoren sich ebenfalls weiterentwickeln, bekämpfen. Doch die Laserwaffen sind noch weit von der Marktreife entfernt.

Was sich in der militärischen Forschung oder im Einsatz bei Kampfflugzeugen bewährt hat, muss jedoch in der zivilen Anwendung nicht gleich Erfolg haben: Experten räumen ein, dass der Einbau der modernen Technologien bei den Jets der großen Airlines nicht wirtschaftlich ist und zudem praktische Probleme mit sich bringt. Die US-Forschungseinrichtung Rand Corporation hat errechnet, dass die Verwendung der Laser Jammer in allen zivilen US-Flugzeugen - zusammen mit der Entwicklung und Wartung über zehn Jahre - bis zu 40 Mrd. Dollar kosten könnte.

"Neben der Frage der Kosten gibt es auch dort Sicherheitsbedenken", sagt der Rüstungsexperte Lange. So werden zum Beispiel die einzelnen abgeworfenen "Flares" sehr heiß. Wenn sie in einem Wohngebiet oder einem trockenen Waldgebiet zu Boden gehen, besteht Brandgefahr. Hinzu kommt: Alle einsetzbaren Technologien tragen ein hohes Risiko von Falschalarmen.

Zwar können die Sensoren an den Jets, die eine angreifende Rakete erkennen, innerhalb einer Sekunde nach deren Start bereits analysieren, ob die Flugbahn tatsächlich eine Gefahr darstellt, doch oft reagieren sie eben auch auf andere "Reize", was in einem Gebiet mit hoher Flugdichte ein ernstes Problem darstellt. Die Ingenieure von Rand kommen daher zu dem Schluss: Derzeit macht es keinen Sinn mit einem Milliarden-Dollar-Aufwand Technologien einzusetzen, die unzuverlässig und unwirtschaftlich sind.

Rand schlägt deshalb ein Bündel verschiedener Maßnahmen vor. Ein wichtiger Punkt darin: Den Verkauf von Manpads international stärker zu beschränken.

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