Gesundheit: Mobilfunk als "heiße Kartoffel"
Die Presse, 19.12.2005
VON BENEDIKT KOMMENDA
Verwaltung und Justiz scheuen davor zurück, dem zunehmenden Einsatz der Funktechnologie entgegenzutreten, meint Umweltrechtler Ferdinand Kerschner. "Verwaltungsbehörden und Gerichte schieben das Problem wie eine heiße Kartoffel hin und her", sagte der Linzer Umweltrechtler Univ.-Prof. Ferdinand Kerschner. (c) APA
SALZBURG. Der letzte Schrei unter den Handy-Accessoires, die zur Zeit als Weihnachtsgeschenke beworben werden, hat Symbolcharakter: ein überdimensional wirkender knallroter Telefonhörer, der mit einem Spiralkabel nach Art der Festnetzapparate aus dem zweiten nachchristlichen Jahrtausend an ein Mobiltelefon angeschlossen wird. Geht es nach dem Willen und den Warnungen mancher Mediziner, sollte man sich verstärkt des guten alten Festnetzes besinnen: Denn die immer weiter verbreitete Funktechnologie berge Risken, deren sich die Benutzer von Schnurlostelefonen, Handys und Funknetzwerken (WLAN) zu wenig bewusst seien.
Unter dieser Prämisse stand die Podiumsdiskussion "Mobilfunk, Mensch und Recht", die das Österreichische Institut für Menschenrechte (ÖIM) am Freitagabend in Salzburg veranstaltete. Das Ergebnis vorweg: Die rechtlichen Mittel, gegen die angenommenen Gesundheitsgefährdungen vorzugehen, sind äußerst beschränkt.
"Verwaltungsbehörden und Gerichte schieben das Problem wie eine heiße Kartoffel hin und her", sagte der Linzer Umweltrechtler Univ.-Prof. Ferdinand Kerschner. Niemand wolle die Verantwortung übernehmen - aus einem einfachen Grund, so Kerschner: "Es geht um sehr viel Geld."
Dabei sind nach Aussagen Gerd Oberfelds, Umweltmediziner des Landes Salzburg, die nachteiligen Wirkungen - von Störungen des Wohlbefindens bis zum erhöhten Krebsrisiko - von Handys, Sendemasten und Heim-Funknetzen vielfach belegt. Oberfeld war auch im Sommer an der Warnung der Ärztekammer vor den Langzeitfolgen von Handy- und Schnurlostelefonie beteiligt - einer Warnung, die von der Mobilfunkindustrie als haltlos zurückgewiesen wurde.
Für Umweltrechtler Kerschner wäre es allerdings an der Zeit, gleichsam die Beweislast umzudrehen und Mobilfunkanlagen nur unter der Bedingung zu genehmigen, dass ihre Ungefährlichkeit nachgewiesen ist. In diesem Sinn habe sich auch der EuGH (C-127/02) für das "Vorsorgeprinzip" ausgesprochen, als er den Nachweis der Naturverträglichkeit der Herzmuschelfischerei im Wattenmeer verlangte. Was für die Herzmuschel gelte, müsse umso mehr für die menschliche Gesundheit gelten, meinte Kerschner.
Während es den Verwaltungsbehörden bei der Genehmigung von Sendeanlagen verwehrt sei, über Gesundheitsaspekte zu urteilen, bleibe noch die Möglichkeit, den "Belästigungsschutz" wahrzunehmen. Darüber hätte der Verwaltungsgerichtshof aber noch nicht entschieden, wobei Kerschners Hoffnungen nicht allzu groß sind.
Die ordentlichen Gerichte wiederum würden sich mit der Einhaltung von Grenzwerten begnügen, die nur den "Durchschnittsmenschen" und nicht auch Kinder, Alte und Kranke berücksichtigten. Deshalb plädiert Kerschner für einen neuen Ansatz: Wenn der Sendekegel eines Handymasts direkt auf ein benachbartes Grundstück gerichtet sei, dann könne man das als "unmittelbare Zuleitung" sehen, wie sie das ABGB - ursprünglich Abflussrohre und Ähnliches meinend - ohne Einwilligung des Nachbarn "unter allen Umständen" verbietet. "Man kann mit dem Nachbarn alles vereinbaren", sagt Kerschner, "aber man muss ihn fragen." Vom persönlichen Wohlbefinden abgesehen ist auch der Wert von Liegenschaften in der Nachbarschaft von Antennenmasten beeinträchtigt.
Univ.-Prof. Wolfram Karl, Leiter des ÖIM, und sein Mitarbeiter Eduard Christian Schöpfer bauen indes auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ansätze sieht Karl in der Straßburger Judikatur zu dem Schutzpflichten des Staates im Zusammenhang mit dem Recht auf Leben und zum Recht auf Privat- und Familienleben. Schöpfer wirft angesichts der Schwierigkeiten bei der Geltendmachung von Abwehrrechten die Frage nach der menschenrechtlich garantierten "wirksamen Beschwerde" auf.
Nur ein einziges wurde - eher ungewöhnlich in einem Haus, wo die Menschenrechte und also auch die Fairness sehr viel zählen - vergessen: einen Vertreter der Mobilfunker auf das Podium einzuladen, der für die andere Seite das Wort hätte ergreifen können.
Omega siehe hierzu "Mobilfunk, Mensch und Recht" unter:
http://omega.twoday.net/stories/1356123/
http://diepresse.com/Artikel.aspx?channel=e&ressort=r&id=527000&archiv=false
mit freundlichen Grüßen
Michael Meyer
michael_meyer@aon.at
Risiko Mobilfunk Österreich Plattform Sozialstaat Österreich - Netzwerk Zivilcourage
A - 5165 Berndorf, Stadl 4
Tel/Fax 0043 - 6217 - 8576
--------
Mobilfunk und Menschenrechte
http://omega.twoday.net/stories/1238278/
Mobilfunk, Mensch und Recht
http://omega.twoday.net/stories/1189695/
Verbraucherzentrale: Kein rechtlicher Schutz bei Mobilfunkgeschädigten
http://omega.twoday.net/stories/1290252/
Opfer könnten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen http://omega.twoday.net/stories/1240497/
VON BENEDIKT KOMMENDA
Verwaltung und Justiz scheuen davor zurück, dem zunehmenden Einsatz der Funktechnologie entgegenzutreten, meint Umweltrechtler Ferdinand Kerschner. "Verwaltungsbehörden und Gerichte schieben das Problem wie eine heiße Kartoffel hin und her", sagte der Linzer Umweltrechtler Univ.-Prof. Ferdinand Kerschner. (c) APA
SALZBURG. Der letzte Schrei unter den Handy-Accessoires, die zur Zeit als Weihnachtsgeschenke beworben werden, hat Symbolcharakter: ein überdimensional wirkender knallroter Telefonhörer, der mit einem Spiralkabel nach Art der Festnetzapparate aus dem zweiten nachchristlichen Jahrtausend an ein Mobiltelefon angeschlossen wird. Geht es nach dem Willen und den Warnungen mancher Mediziner, sollte man sich verstärkt des guten alten Festnetzes besinnen: Denn die immer weiter verbreitete Funktechnologie berge Risken, deren sich die Benutzer von Schnurlostelefonen, Handys und Funknetzwerken (WLAN) zu wenig bewusst seien.
Unter dieser Prämisse stand die Podiumsdiskussion "Mobilfunk, Mensch und Recht", die das Österreichische Institut für Menschenrechte (ÖIM) am Freitagabend in Salzburg veranstaltete. Das Ergebnis vorweg: Die rechtlichen Mittel, gegen die angenommenen Gesundheitsgefährdungen vorzugehen, sind äußerst beschränkt.
"Verwaltungsbehörden und Gerichte schieben das Problem wie eine heiße Kartoffel hin und her", sagte der Linzer Umweltrechtler Univ.-Prof. Ferdinand Kerschner. Niemand wolle die Verantwortung übernehmen - aus einem einfachen Grund, so Kerschner: "Es geht um sehr viel Geld."
Dabei sind nach Aussagen Gerd Oberfelds, Umweltmediziner des Landes Salzburg, die nachteiligen Wirkungen - von Störungen des Wohlbefindens bis zum erhöhten Krebsrisiko - von Handys, Sendemasten und Heim-Funknetzen vielfach belegt. Oberfeld war auch im Sommer an der Warnung der Ärztekammer vor den Langzeitfolgen von Handy- und Schnurlostelefonie beteiligt - einer Warnung, die von der Mobilfunkindustrie als haltlos zurückgewiesen wurde.
Für Umweltrechtler Kerschner wäre es allerdings an der Zeit, gleichsam die Beweislast umzudrehen und Mobilfunkanlagen nur unter der Bedingung zu genehmigen, dass ihre Ungefährlichkeit nachgewiesen ist. In diesem Sinn habe sich auch der EuGH (C-127/02) für das "Vorsorgeprinzip" ausgesprochen, als er den Nachweis der Naturverträglichkeit der Herzmuschelfischerei im Wattenmeer verlangte. Was für die Herzmuschel gelte, müsse umso mehr für die menschliche Gesundheit gelten, meinte Kerschner.
Während es den Verwaltungsbehörden bei der Genehmigung von Sendeanlagen verwehrt sei, über Gesundheitsaspekte zu urteilen, bleibe noch die Möglichkeit, den "Belästigungsschutz" wahrzunehmen. Darüber hätte der Verwaltungsgerichtshof aber noch nicht entschieden, wobei Kerschners Hoffnungen nicht allzu groß sind.
Die ordentlichen Gerichte wiederum würden sich mit der Einhaltung von Grenzwerten begnügen, die nur den "Durchschnittsmenschen" und nicht auch Kinder, Alte und Kranke berücksichtigten. Deshalb plädiert Kerschner für einen neuen Ansatz: Wenn der Sendekegel eines Handymasts direkt auf ein benachbartes Grundstück gerichtet sei, dann könne man das als "unmittelbare Zuleitung" sehen, wie sie das ABGB - ursprünglich Abflussrohre und Ähnliches meinend - ohne Einwilligung des Nachbarn "unter allen Umständen" verbietet. "Man kann mit dem Nachbarn alles vereinbaren", sagt Kerschner, "aber man muss ihn fragen." Vom persönlichen Wohlbefinden abgesehen ist auch der Wert von Liegenschaften in der Nachbarschaft von Antennenmasten beeinträchtigt.
Univ.-Prof. Wolfram Karl, Leiter des ÖIM, und sein Mitarbeiter Eduard Christian Schöpfer bauen indes auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ansätze sieht Karl in der Straßburger Judikatur zu dem Schutzpflichten des Staates im Zusammenhang mit dem Recht auf Leben und zum Recht auf Privat- und Familienleben. Schöpfer wirft angesichts der Schwierigkeiten bei der Geltendmachung von Abwehrrechten die Frage nach der menschenrechtlich garantierten "wirksamen Beschwerde" auf.
Nur ein einziges wurde - eher ungewöhnlich in einem Haus, wo die Menschenrechte und also auch die Fairness sehr viel zählen - vergessen: einen Vertreter der Mobilfunker auf das Podium einzuladen, der für die andere Seite das Wort hätte ergreifen können.
Omega siehe hierzu "Mobilfunk, Mensch und Recht" unter:
http://omega.twoday.net/stories/1356123/
http://diepresse.com/Artikel.aspx?channel=e&ressort=r&id=527000&archiv=false
mit freundlichen Grüßen
Michael Meyer
michael_meyer@aon.at
Risiko Mobilfunk Österreich Plattform Sozialstaat Österreich - Netzwerk Zivilcourage
A - 5165 Berndorf, Stadl 4
Tel/Fax 0043 - 6217 - 8576
--------
Mobilfunk und Menschenrechte
http://omega.twoday.net/stories/1238278/
Mobilfunk, Mensch und Recht
http://omega.twoday.net/stories/1189695/
Verbraucherzentrale: Kein rechtlicher Schutz bei Mobilfunkgeschädigten
http://omega.twoday.net/stories/1290252/
Opfer könnten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen http://omega.twoday.net/stories/1240497/
Starmail - 20. Dez, 22:42