Falschgutachten: Die Haftung des medizinischen Gutachters
HLV INFO 118/AT
30-07-2005
Webmaster 29-07-05
G U T A C H T E R H A F T U N G
Falschgutachten: Die Haftung des medizinischen Gutachters
Nimmt ein Patient den behandelnden Arzt im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses wegen eines Behandlungsfehlers gerichtlich in Anspruch, wird hierbei regelmäßig durch einen vom Gericht ernannten Sachverständigen Beweis erhoben. Den Fall einer Falschbegutachtung und damit die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches gegen den Gutachter hat der Gesetzgeber nunmehr im Rahmen der Reform des Schadensersatzrechts ausdrücklich geregelt:
"Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist dieser zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht."
Hierdurch schließt der Gesetzgeber eine Lücke im bisherigen Schadensersatzrecht. Der gerichtlich ernannte Sachverständige konnte nach bisherigem Recht im Regelfall nicht in Anspruch genommen werden, wenn er ein falsches Gutachten erstattet hatte. Ein vertragsrechtlicher Schadensersatzanspruch schied aus, da der Gutachter in keiner Vertragsbeziehung zu einer der Parteien steht (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2891). Die Parteien des Rechtsstreits sind weder an dem zwischen dem Träger der Gerichtsbarkeit und dem Sachverständigen begründeten Rechtsverhältnis beteiligt, noch begründet dieses Rechtsverhältnis eine Schutzwirkung zugunsten der Parteien. Zwischen dem Gericht und dem Sachverständigen besteht vielmehr ein Sonderrechtsverhältnis und gerade keine privatrechtliche Beziehung. Der gerichtliche Sachverständige haftet auch nicht nach den Grundsätzen der Amtshaftung, da er keine hoheitliche Aufgabe wahrnimmt (OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2891).
In Betracht kam lediglich eine Haftung nach deliktischen Grundsätzen. Hier war zu unterscheiden, ob der Sachverständige nach 410 ZPO beeidigt wurde oder unbeeidigt geblieben ist. Im erstgenannten Fall haftete er für vorsätzliche oder fahrlässige Falschbegutachtung ( 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 154, 163), während er im letztgenannten Fall lediglich unter den engen Voraussetzungen des 826 BGB wegen vorsätzlicher Falschbegutachtung in Anspruch genommen werden konnte. Da Sachverständige in der Regel unbeeidigt geblieben sind und das Gutachten nicht vorsätzlich falsch erstatten, konnten sie daher nach der bisherigen Rechtslage regelmäßig nicht in Anspruch genommen werden.
Durch die Einführung des 839a BGB ist es nunmehr möglich, dass derjenige, der einen Prozess aufgrund eines unrichtigen Gutachtens verliert, Schadensersatz vom Sachverständigen beanspruchen kann. Die Differenzierung, ob der Sachverständige beeidigt wurde oder nicht, spielt grundsätzlich keine Rolle mehr. Der Gutachter haftet unabhängig davon, ob er beeidigt wurde oder nicht. Der Verschuldensmaßstab ist jedoch auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit des Sachverständigen beschränkt, d.h. er haftet nicht für einfache Fahrlässigkeit. Eine Haftung bei einfacher Fahrlässigkeit kommt weiterhin nur dann in Betracht, wenn der Sachverständige beeidigt wurde.
Wie bei Amtshaftungsansprüchen nach 839 BGB hat der Gesetzgeber die Haftung des Sachverständigen nach 839a Abs. 2 BGB für den Fall ausgeschlossen, dass es der Geschädigte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Die nunmehr den Parteien an die Hand gegebene Möglichkeit, den gerichtlichen Gutachter in Anspruch zu nehmen, stellt eine wesentliche Erweiterung des Haftungsrechts dar. Da Gerichte in der Regel das Ergebnis des Sachverständigengutachtens der Entscheidung zugrundelegen, können die Parteien den Prozess über den Umweg der Inanspruchnahme des Sachverständigen erneut aufrollen, wenn es sich um ein Falschgutachten handelt. Dies ist für den Betroffenen dann die einzige Möglichkeit, materielle Gerechtigkeit zu erlangen (vgl. BT-Drucksache 14/7752, S. 28).
Es ist daher zu erwarten, dass es durch diese Haftungsverschärfung zu einem Anstieg der Regressprozesse kommen wird, wenn aufgrund eines Falschgutachtens das Gericht die Klage des Patienten gegen den behandelnden Arzt abweist.
Die geschädigten Patienten sollten die ihnen durch die gesetzliche Neuregelung eingeräumte Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Zum einen sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen, inwieweit der Sachverständige in Anspruch genommen werden kann. Zum anderen sollten Sie unbedingt das Gutachten des Sachverständigen durch ein unabhängiges Gutachterbüro überprüfen lassen.
Dr. Matthias Schmidt, Rechtsanwalt in Düsseldorf
Dr. med. Rüdiger Verhasselt, Arzt und Rechtsanwalt in Düsseldorf
Impressum/Hinweise nach 6 TDG
2000-2002 Dr. Matthias Schmidt, Dr. med. Rüdiger Verhasselt
30-07-2005
Webmaster 29-07-05
G U T A C H T E R H A F T U N G
Falschgutachten: Die Haftung des medizinischen Gutachters
Nimmt ein Patient den behandelnden Arzt im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses wegen eines Behandlungsfehlers gerichtlich in Anspruch, wird hierbei regelmäßig durch einen vom Gericht ernannten Sachverständigen Beweis erhoben. Den Fall einer Falschbegutachtung und damit die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches gegen den Gutachter hat der Gesetzgeber nunmehr im Rahmen der Reform des Schadensersatzrechts ausdrücklich geregelt:
"Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist dieser zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht."
Hierdurch schließt der Gesetzgeber eine Lücke im bisherigen Schadensersatzrecht. Der gerichtlich ernannte Sachverständige konnte nach bisherigem Recht im Regelfall nicht in Anspruch genommen werden, wenn er ein falsches Gutachten erstattet hatte. Ein vertragsrechtlicher Schadensersatzanspruch schied aus, da der Gutachter in keiner Vertragsbeziehung zu einer der Parteien steht (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2891). Die Parteien des Rechtsstreits sind weder an dem zwischen dem Träger der Gerichtsbarkeit und dem Sachverständigen begründeten Rechtsverhältnis beteiligt, noch begründet dieses Rechtsverhältnis eine Schutzwirkung zugunsten der Parteien. Zwischen dem Gericht und dem Sachverständigen besteht vielmehr ein Sonderrechtsverhältnis und gerade keine privatrechtliche Beziehung. Der gerichtliche Sachverständige haftet auch nicht nach den Grundsätzen der Amtshaftung, da er keine hoheitliche Aufgabe wahrnimmt (OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2891).
In Betracht kam lediglich eine Haftung nach deliktischen Grundsätzen. Hier war zu unterscheiden, ob der Sachverständige nach 410 ZPO beeidigt wurde oder unbeeidigt geblieben ist. Im erstgenannten Fall haftete er für vorsätzliche oder fahrlässige Falschbegutachtung ( 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 154, 163), während er im letztgenannten Fall lediglich unter den engen Voraussetzungen des 826 BGB wegen vorsätzlicher Falschbegutachtung in Anspruch genommen werden konnte. Da Sachverständige in der Regel unbeeidigt geblieben sind und das Gutachten nicht vorsätzlich falsch erstatten, konnten sie daher nach der bisherigen Rechtslage regelmäßig nicht in Anspruch genommen werden.
Durch die Einführung des 839a BGB ist es nunmehr möglich, dass derjenige, der einen Prozess aufgrund eines unrichtigen Gutachtens verliert, Schadensersatz vom Sachverständigen beanspruchen kann. Die Differenzierung, ob der Sachverständige beeidigt wurde oder nicht, spielt grundsätzlich keine Rolle mehr. Der Gutachter haftet unabhängig davon, ob er beeidigt wurde oder nicht. Der Verschuldensmaßstab ist jedoch auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit des Sachverständigen beschränkt, d.h. er haftet nicht für einfache Fahrlässigkeit. Eine Haftung bei einfacher Fahrlässigkeit kommt weiterhin nur dann in Betracht, wenn der Sachverständige beeidigt wurde.
Wie bei Amtshaftungsansprüchen nach 839 BGB hat der Gesetzgeber die Haftung des Sachverständigen nach 839a Abs. 2 BGB für den Fall ausgeschlossen, dass es der Geschädigte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Die nunmehr den Parteien an die Hand gegebene Möglichkeit, den gerichtlichen Gutachter in Anspruch zu nehmen, stellt eine wesentliche Erweiterung des Haftungsrechts dar. Da Gerichte in der Regel das Ergebnis des Sachverständigengutachtens der Entscheidung zugrundelegen, können die Parteien den Prozess über den Umweg der Inanspruchnahme des Sachverständigen erneut aufrollen, wenn es sich um ein Falschgutachten handelt. Dies ist für den Betroffenen dann die einzige Möglichkeit, materielle Gerechtigkeit zu erlangen (vgl. BT-Drucksache 14/7752, S. 28).
Es ist daher zu erwarten, dass es durch diese Haftungsverschärfung zu einem Anstieg der Regressprozesse kommen wird, wenn aufgrund eines Falschgutachtens das Gericht die Klage des Patienten gegen den behandelnden Arzt abweist.
Die geschädigten Patienten sollten die ihnen durch die gesetzliche Neuregelung eingeräumte Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Zum einen sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen, inwieweit der Sachverständige in Anspruch genommen werden kann. Zum anderen sollten Sie unbedingt das Gutachten des Sachverständigen durch ein unabhängiges Gutachterbüro überprüfen lassen.
Dr. Matthias Schmidt, Rechtsanwalt in Düsseldorf
Dr. med. Rüdiger Verhasselt, Arzt und Rechtsanwalt in Düsseldorf
Impressum/Hinweise nach 6 TDG
2000-2002 Dr. Matthias Schmidt, Dr. med. Rüdiger Verhasselt
Starmail - 30. Jul, 16:09