Von Peilsendern und heißen Zellen
Von: Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen
Datum: Tue, 19 Jul 2005 21:14:12 +0200
ND 18.07.05:
Peilsender gegen Castorgegner Göttinger Student zwei Wochen lang von der Polizei verfolgt
Von Reimar Paul, Göttingen
Wenn die Castortransporte in der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague gestartet und auf dem Weg ins Wendland sind, dann richten Atomkraftgegner und Polizeistrategen ihren Blick auch auf das »Nadelöhr Göttingen«. Schon mehrfach gelang es Umweltschützern, hier – trotz Verbotes – an den Schienen zu demonstrieren und den Atomzug für kurze Zeit zu stoppen. Einmal rauschte der Zug bei Göttingen sogar durch eine veritable Barrikade aus Regenschirmen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte deswegen ob möglichen gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr, das Göttinger Amtsgericht vermochte einen solchen allerdings nicht zu erkennen und stellte das Verfahren gegen die verdächtigen Schirm-Blockierer auf Kosten der Staatskasse ein.
Den Staats- und Castorschützern blieb die listige Göttinger Anti-AKW-Szene allerdings ein Dorn im Auge. Das musste jetzt auch der Physik-Student Daniel H. erfahren. Der 25-Jährige bekam kürzlich Post von der Göttinger Polizei. Das Schreiben enthielt die Mitteilung, dass H. im Herbst 2004, in der Zeit vor der letzten Castorfuhre nach Gorleben, zwei Wochen lang rund um die Uhr beschattet und sein Telefon abgehört wurde. Eine vom Göttinger Rechtsanwalt Johannes Hentschel beantragte Akteneinsicht macht jetzt das ganze Ausmaß der polizeilichen Schnüffelei bekannt. »Vor meiner Haustür standen Tag und Nacht Beamte, die Polizisten folgten mir bis auf die Uni-Toilette und beobachteten, ob ich mich dort mit jemandem traf«, erzählt H., der von der Observation zunächst gar nichts mitbekommen hatte. Auch die Telefonate seiner Mitbewohner seien abgehört worden. Und am Auto eines Bekannten brachten Polizisten einen GPS-Peilsender an. »Offenbar reichte die Fantasie der Beamten so weit, dass sie annahmen, ich wollte das Fahrzeug auf die Schienen stellen, um damit den Castor-Zug anzuhalten.«
Dass sie ausgerechnet H. ins Visier nahmen, begründeten die staatlichen Castorschützer damit, dass der Student auch im eingestellten »Regenschirm-Prozess« angeklagt war und Mitglied im Göttinger Anti-Atom-Plenum sei. Auch die Gestaltung eines Plakates, das zu einer Anti-Atom-Party einlud, wurde H. zugeschrieben. Die Göttinger Polizeiführung, die Attacken gegen den damals bevorstehenden Castortransport befürchtete, veranlasste den Akten zufolge selbst die Observierung. Lediglich das Mithören der Telefonate musste man sich von einem örtlichen Amtsrichter genehmigen lassen. Rechtliche Grundlage für die Selbst-Ermächtigung der Polizei ist der umstrittene Paragraf 33a des kürzlich verschärften Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Polizeigesetz). Dieser Paragraf gestattet eine so weit reichende Bespitzelung, wenn »Straftaten von erheblicher Bedeutung« drohen.
»Es ist aber völlig absurd anzunehmen, dass von der Anti-Atom-Bewegung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen ausgeht«, weist Martin M. vom Göttinger Anti-Atom-Plenum entsprechende Verdächtigungen zurück. »Menschen gefährdende Gewalt haben wir immer ausgeschlossen.« Die Wurzel des Übels ist aus Sicht von Rechtsanwalt Hentschel die vage formulierte Regelung im Niedersächsischen Polizeigesetz, die auch bei leisestem Verdacht künftiger Handlungen des Betroffenen die gesamten Überwachungsmaßnahmen zulässt. Eine Klage gegen den Paragrafen 33a ist derzeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig.
Datum: Tue, 19 Jul 2005 21:14:12 +0200
ND 18.07.05:
Peilsender gegen Castorgegner Göttinger Student zwei Wochen lang von der Polizei verfolgt
Von Reimar Paul, Göttingen
Wenn die Castortransporte in der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague gestartet und auf dem Weg ins Wendland sind, dann richten Atomkraftgegner und Polizeistrategen ihren Blick auch auf das »Nadelöhr Göttingen«. Schon mehrfach gelang es Umweltschützern, hier – trotz Verbotes – an den Schienen zu demonstrieren und den Atomzug für kurze Zeit zu stoppen. Einmal rauschte der Zug bei Göttingen sogar durch eine veritable Barrikade aus Regenschirmen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte deswegen ob möglichen gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr, das Göttinger Amtsgericht vermochte einen solchen allerdings nicht zu erkennen und stellte das Verfahren gegen die verdächtigen Schirm-Blockierer auf Kosten der Staatskasse ein.
Den Staats- und Castorschützern blieb die listige Göttinger Anti-AKW-Szene allerdings ein Dorn im Auge. Das musste jetzt auch der Physik-Student Daniel H. erfahren. Der 25-Jährige bekam kürzlich Post von der Göttinger Polizei. Das Schreiben enthielt die Mitteilung, dass H. im Herbst 2004, in der Zeit vor der letzten Castorfuhre nach Gorleben, zwei Wochen lang rund um die Uhr beschattet und sein Telefon abgehört wurde. Eine vom Göttinger Rechtsanwalt Johannes Hentschel beantragte Akteneinsicht macht jetzt das ganze Ausmaß der polizeilichen Schnüffelei bekannt. »Vor meiner Haustür standen Tag und Nacht Beamte, die Polizisten folgten mir bis auf die Uni-Toilette und beobachteten, ob ich mich dort mit jemandem traf«, erzählt H., der von der Observation zunächst gar nichts mitbekommen hatte. Auch die Telefonate seiner Mitbewohner seien abgehört worden. Und am Auto eines Bekannten brachten Polizisten einen GPS-Peilsender an. »Offenbar reichte die Fantasie der Beamten so weit, dass sie annahmen, ich wollte das Fahrzeug auf die Schienen stellen, um damit den Castor-Zug anzuhalten.«
Dass sie ausgerechnet H. ins Visier nahmen, begründeten die staatlichen Castorschützer damit, dass der Student auch im eingestellten »Regenschirm-Prozess« angeklagt war und Mitglied im Göttinger Anti-Atom-Plenum sei. Auch die Gestaltung eines Plakates, das zu einer Anti-Atom-Party einlud, wurde H. zugeschrieben. Die Göttinger Polizeiführung, die Attacken gegen den damals bevorstehenden Castortransport befürchtete, veranlasste den Akten zufolge selbst die Observierung. Lediglich das Mithören der Telefonate musste man sich von einem örtlichen Amtsrichter genehmigen lassen. Rechtliche Grundlage für die Selbst-Ermächtigung der Polizei ist der umstrittene Paragraf 33a des kürzlich verschärften Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Polizeigesetz). Dieser Paragraf gestattet eine so weit reichende Bespitzelung, wenn »Straftaten von erheblicher Bedeutung« drohen.
»Es ist aber völlig absurd anzunehmen, dass von der Anti-Atom-Bewegung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen ausgeht«, weist Martin M. vom Göttinger Anti-Atom-Plenum entsprechende Verdächtigungen zurück. »Menschen gefährdende Gewalt haben wir immer ausgeschlossen.« Die Wurzel des Übels ist aus Sicht von Rechtsanwalt Hentschel die vage formulierte Regelung im Niedersächsischen Polizeigesetz, die auch bei leisestem Verdacht künftiger Handlungen des Betroffenen die gesamten Überwachungsmaßnahmen zulässt. Eine Klage gegen den Paragrafen 33a ist derzeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig.
Starmail - 20. Jul, 10:59