28
Mrz
2005

Wie die Agentur für Arbeit den ALG-II Empfängern das ihnen zustehende Geld vorenthält

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Wie die Agentur für Arbeit den ALG-II Empfängern das ihnen zustehende Geld vorenthält

Nun die leider wahre Geschichte einer alleinerziehende Mutter, die es nun wahrlich nicht einfach hat über die Runden zu kommen.

Dienstag, 1. März - es gibt regulär ALG II
Donnerstag, 3. März - immer noch kein Geld da!

Ich begebe mich auf das Landratsamt, um mich nach dem Verbleib meines Geldes zu erkundigen. Frau X, die zuständige Angestellte sucht ewig nach meiner Akte, bis sie sie endlich doch fand und feststellte das keine Sperre des Geldes vorlag.

Sperre dachte ich, wozu – ich hatte mir nichts zu schulden kommen lassen. Wird man jetzt schon unschuldig vorverurteilt, nur weil man keine Arbeit hat, die es ja auch nicht gibt, oder warum schaut Frau X zuerst nach einer Sperre.

Wie dem auch sei, dachte ich. Frau X versprach jedenfalls das Geld noch heute anzuweisen

Freitag, 4. März - kein Geld da

Wovon soll ich meine Wochenendeinkauf tätigen, wovon mein Kind ernähren? Mir schnürte es die Kehle zu. Das erste Mal in meinem Leben überkam mich das Gefühl der totalen Hilflosigkeit. Ich hatte plötzlich unendlich großen Hunger. Ich borgte mir bei Freunden Geld für einen kleine Einkauf – nur das Nötigste – versteht sich, man will ja niemanden auf der Tasche liegen. Aber peinlich war’s schon, erklären zu müssen, warum ich sie jetzt anpumpe.

Montag, 7. März – immer noch kein Geld.

Wovon soll ich die Miete bezahlen. Einen Anruf beim Vermieter und ihm sagen: „Eh tut mir leid. Das Amt zahlt die Almosen nicht, also ich dir auch keine Miete?“. Echt peinlich. Ich schäme mich für meine Situation. Ich beschließe mit dem Essen etwas kürzer zu treten. Man weiß ja nicht wann das Geld endlich gezahlt wird. Aber wenigstens mein Kind soll nicht hungern. Es kann ja nichts dafür.

Die erste schlaflose Nacht. Ich hab Hunger. Dennoch ich muß aufs Amt

Dienstag, 8. März - mein alltäglicher Gang zur Bank – erfolglos. Und ich hatte so gehofft mich nicht wieder wie eine Bettlerin aufs Amt begeben zu müssen.

Na ja gegen 17 Uhr hatte ich sowieso einen Termin. Ich muß meinen Folgeantrag auf ALG II stellen. Da ich ja nun zwei Angelegenheiten zu klären hatte, ging ich zwei Stunden eher hin. Natürlich kam ich doch erst um 17 Uhr dran.

Bin ich im falsche Film fuhr es mir durch den Kopf? Das darf doch nicht wahr sein.

Frau X war wieder ewig damit beschäftigt meine Akte zu suchen und diesmal fand sie sie nicht. Sie holte sich Kollegin Y zu Hilfe. Mit vereinten Kräften fanden sie nach langen Suchen meine Akte und mußten feststellen, das keine Überweisung stattfand. Vielleicht auf ein anderes Konto sagt Frau Y.

Auf welches andere Konto denn, fragte ich. Schließlich bin ich ALG II Empfängerin und kann mir kaum die Kontoführungsgebühren für ein Konto leisten (nach der Regelsatzverordnung stehen einem ALG-II-Empfänger, der den vollen Regelsatz erhält, übrigens 0,36 Euro pro Monat dafür zu). Ich lächelte müde und sagte ich habe nur ein Konto. Leise ganz leise fragt ich nun nach einer Barauszahlung. Schließlich so erklärte ich müsse ich Miete bezahlen und auch meine Tochter bräuchte irgend etwas zum Essen.

Eine Barauszahlung, da waren sich Frau X und Frau Y einig – völlig unmöglich. Die Gesetze ließen dies auf gar keinen Fall zu.

Na mein Gott – bin ich denn eine Verbrecherin – denke ich. Ich will doch eigentlich nur meine „Grundsicherung zum Lebensunterhalt“ die mir ja nach §1 SBG II auch zusteht, sagte ich wütend und verzweifelt.

Plötzlich, man hatte wohl Mitleid mit mir, mittlerweile liefen mir leise die Tränen über beide Wangen, gab man mir einen Zettel, auf den stand ich könne mir 100 € an der Kasse der Führerscheinstelle abholen. Ich war entsetzt - 100 € soll ich davon jetzt meinen Vermieter trösten oder uns etwas zu essen kaufen?

Frau X und Frau Y verstanden meine Aufregung nicht – nun hatte ich doch etwas Geld. Sie versprachen wieder das restliche Geld zu überweisen. Ich lächelte müde und wollte gerade gehen da sagte Frau X: „Ach ja da wäre noch was: “Wenn sie ihren Widerspruch zurückziehen würden, gäbe es sicher mit der Überweisung keine Probleme!“

Jetzt schlägts 13, dachte ich. Ich bin plötzlich hellwach und sagte wie von selbst : “Meinen Widerspruch zurückziehen auf gar keine Fall. Sie zahlen mir weniger als mir zusteht, zum Beispiel der Mehrbedarf für mich als Alleinerziehende – immerhin 40€ im Monat- .Nein meinen Widerspruch halte ich aufrecht“. Ich ging ohne zu grüßen.

Auf dem Weg zur Führerscheinstelle hatte ich ausreichend Zeit mich zu sammeln. Das war auch gut so, denn die Dame dort zahlte die 100 € aus als wäre es ein Lottogewinn gewesen. Eigentlich genug Anlaß um sich wieder aufzuregen, aber ich wollte und konnte nicht mehr.

Mittwoch, 9. März - blieb ich den ganzen Tag im Haus. Ich war irgendwie depressiv und immer noch total wütend über die Anmaßung mit dem Widerspruch.

Donnerstag, 10. März – kein Geld auf der Bank.

Der erste Mahnbrief vom Vermieter munterte mich auch nicht gerade auf. Was denken sich bloß Schröder und Co, wenn sie die Menschen so unverschuldet ins Elend stürzen, dachte ich.

Freitag, 11. März - Immer noch kein Geld!!

Ich ging nach Hause – nun wußte ich nicht mehr weiter. Gegen Mittag, das Landratsamt war längst für den Besucherverkehr geschlossen, rief Frau Y mich an. Sie kam ohne Umschweife zur Sache und beharrte darauf. Ich solle meinen Widerspruch zurückziehen. „Nein, sagte ich schon wieder auf 180. Ich werde meine Widerspruch nicht zurückziehen. Einen Widerspruch gegen einen Bescheid einzulegen ist eine demokratisch legitimierte Sache erklärte ich völlig aufgeregt.

Frau Y blieb ganz gelassen und erklärte, sie könne nicht verstehen, wieso ich trotzdem ich meinen Widerspruch nicht zurückziehen wolle, nun dennoch Geld von Landratsamt verlange.

Jetzt platzt mir die Hutschnur ich muß mich beruhigen.

Es gelingt und ich sage: „Das Geld, welches sie nicht zahlen wollen hängt nicht vom Widerspruch ab. Es steht mir per Gesetz zu – lesen sie doch mal im SGB II nach“.

Nun gut, sagt Frau Y, ich solle es mir noch einmal überlegen, wenn ich nämlich meine Widerspruch nicht zurückzöge, könnte ich auch keinen neuen Antrag auf ALG II stellen. Sie wünsche mir ein schönes Wochenende und legte einfach auf.

Jetzt reichts, dachte ich. So nicht mit mir.

Ich rief beim ver.di Bezirk Leipzig-Nordsachsen an und schilderte meinen Fall. Leider mußte ich dort erfahren, dass ich nicht die einzige bin, der man das Geld einfach nicht auszahlt. Natürlich habe ich das Recht bei meinem Widerspruch zu bleiben, bestätigte mir die dortige Rechtsabteilung. Ich muß den Widerspruch nicht zurückziehen, um den laufenden Regelsatz zu erhalten oder gar einen Folgeantrag stellen zu können.

Ich war beruhigt. Ich laß mich nicht so maßregeln. Gleich am Montag starte ich den nächsten Versuch. Ich werde für meine Rechte kämpfen. Tut Ihr es auch! Kämpfen wir alle zusammen für eine sofortige Regelsatzerhöhung.

Wir müssen selbst für unsere Rechte kämpfen. Denn wenn wir es nicht machen, macht es niemand.

Letzte Bemerkung zum Verschicken der Folgeanträge. Achtung, nicht alle Folgeanträge werden pünktlich verschickt. Ihr müßt Euch selbst kümmern, sonst bekommt ihr im April kein Geld, da die Anträge noch nicht bearbeitet werden konnten. So jedenfalls könnte die Ausrede sein, die man Euch dann auftischt.

Es ist ein Skandal, wenn man die Ärmsten der Armen jetzt auch noch um ihr ALG II bringen will.

[Redebeitrag auf der Montagsdemonstration am 21. März 2005 in Leipzig]

Bitte sendet uns Eure Berichte von ALG-II-Empfängern, denen das ihnen zustehende Geld ebenfalls vorenthalten wird an: information@soziale-bewegung.de
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