Kinder, Konsum und Suche nach Identität
VERBRAUCHER AKTUELL
Kinder, Konsum und Suche nach Identität
Weg vom Markenwahn das kann ein guter Vorsatz in manchen Familien sein. Doch Eltern müssen mit gutem Beispiel vorangehen.Bielefeld. Das Sweatshirt guckt Marc (11) nicht einmal an. "Das ist assi, so kann ich doch nicht rumlaufen." Form und Farbe sind zwar in Ordnung, doch das richtige Label fehlt. Und auf die Marke kommt es an zum Leidwesen der Eltern, die oft bereits das Handy oder Diddl-Figuren finanziert haben und sich spätestens bei Markensportschuhen für 200 Euro die Frage stellen, ob es nicht auch die Modelle für 100 tun.
"Der Wert der Ware definiert sich über den Preis. Reduzierte Sachen oder Fälschungen riechen Jugendliche sieben Meter gegen den Wind", sagt der Soziologe Professor Klaus Hurrelmann von der Universität Bielefeld. Teure Handys oder Turnschuhe erhöhen den Wert der eigenen Person, glauben viele Heranwachsende. "Gerade in der Pubertät fehlt ihnen der innere Halt, und damit geht ein geringes Selbstwertgefühl einher", sagt Pädagogikprofessor Peter Struck von der Universität Hamburg.
Mütter und Väter seien gefordert, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken und ihnen auch ein Gefühl für den Wert des Geldes zu vermitteln, sagt Struck. "Eltern sollten den Kindern nicht jeden Wunsch und schon gar nicht sofort erfüllen." Noch wichtiger ist jedoch, die Kinder zu überzeugen, dass nicht nur das Äußere zählt. "Man kann auch einem Fünfjährigen schon erklären, dass man sich die teuren Adidas-Schuhe nicht leisten kann", so Struck. Dafür empfiehlt er die "Prime-Time" der Kinder, etwa nach der Gute-Nacht-Geschichte. "Wenig Erfolg hat man, wenn man mit dem Kind diskutiert, während es in einem Kaufhaus cholerisch ausrastet."
Die Psychotherapeutin Anna Schoch aus München rät: "Die meisten Erwachsenen sollten erst einmal ihre eigenen Maßstäbe überprüfen." Oft schielten auch sie nach teuren Marken. Eltern sollten Kindern verdeutlichen, dass sie auch mit guten Leistungen in der Schule, sportlichen Erfolgen oder sozialem Engagement punkten können. "Kinder müssen lernen, Massentrends zu widerstehen und Nein zu sagen."
Wie stark sich Kinder an Konsum und Marken orientieren, hängt vor allem vom familiären Umfeld ab. "Wenn Kinder zu viele Spielsachen oder Markenartikel bekommen, entwickeln sie schnell eine Konsumabhängigkeit", sagt Albert Wunsch, Leiter des Katholischen Jugendamtes in Neuss. Man solle ihnen in erster Linie Sachen schenken, die man nicht kaufen kann.
Spätestens in der Schule werden Kinder mit bestimmten Logos oder Marken konfrontiert. Bis zum zehnten Lebensjahr sind die Ansichten der Eltern noch wichtig. Danach zählt vor allem die Meinung der Gleichaltrigen. Mit dem Eintritt in die Pubertät suchen viele Kinder verstärkt nach der eigenen Identität. Die Werbung spricht gezielt diese Gruppe an. "Dem Kind wird suggeriert, dass nur ein bestimmter Schuh der richtige ist: Wenn du den nimmst, bis du ein anderer Mensch", sagt Hurrelmann. Diese Aufwertung durch ein Produkt sei natürlich nur eine Illusion. "Aber das Kind glaubt, jetzt von anderen anerkannt zu werden.
Wenn Kinder sagen "Das haben alle", sollte man das Wort "alle" hinterfragen. "Meist handelt es sich nur um Gruppen", sagt Hurrelmann. Eine Lösung kann auch sein, den Kauf um zwei, drei Monate zu verschieben und zu schauen, ob der Wunsch dann immer noch so stark ist. Bleibt der Wunsch bestehen oder wird das Kind tatsächlich wegen seiner Kleidung in der Schule gehänselt, rät Hurrelmann, nachzugeben. "Der Druck auf die Kinder ist in manchen Schulklassen wahnsinnig hoch. Wenn ich dem Kind nicht helfe, dränge ich es unter Umständen in eine Außenseiterrolle." Beim Kauf eines teuren Markenprodukts könnten Eltern auch das Kind einen Anteil vom Taschengeld bezahlen lassen. "So bekommen Kinder ein Verständnis, dass Marken ihren Preis haben."
03.01.05
Von Britta Schmeis und Carina Frey
Verbraucher aktuell
http://www.wz-newsline.de/seschat4/200/sro.php?redid=72356
Nachrichtr von der BI Bad Dürkheim
Kinder, Konsum und Suche nach Identität
Weg vom Markenwahn das kann ein guter Vorsatz in manchen Familien sein. Doch Eltern müssen mit gutem Beispiel vorangehen.Bielefeld. Das Sweatshirt guckt Marc (11) nicht einmal an. "Das ist assi, so kann ich doch nicht rumlaufen." Form und Farbe sind zwar in Ordnung, doch das richtige Label fehlt. Und auf die Marke kommt es an zum Leidwesen der Eltern, die oft bereits das Handy oder Diddl-Figuren finanziert haben und sich spätestens bei Markensportschuhen für 200 Euro die Frage stellen, ob es nicht auch die Modelle für 100 tun.
"Der Wert der Ware definiert sich über den Preis. Reduzierte Sachen oder Fälschungen riechen Jugendliche sieben Meter gegen den Wind", sagt der Soziologe Professor Klaus Hurrelmann von der Universität Bielefeld. Teure Handys oder Turnschuhe erhöhen den Wert der eigenen Person, glauben viele Heranwachsende. "Gerade in der Pubertät fehlt ihnen der innere Halt, und damit geht ein geringes Selbstwertgefühl einher", sagt Pädagogikprofessor Peter Struck von der Universität Hamburg.
Mütter und Väter seien gefordert, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken und ihnen auch ein Gefühl für den Wert des Geldes zu vermitteln, sagt Struck. "Eltern sollten den Kindern nicht jeden Wunsch und schon gar nicht sofort erfüllen." Noch wichtiger ist jedoch, die Kinder zu überzeugen, dass nicht nur das Äußere zählt. "Man kann auch einem Fünfjährigen schon erklären, dass man sich die teuren Adidas-Schuhe nicht leisten kann", so Struck. Dafür empfiehlt er die "Prime-Time" der Kinder, etwa nach der Gute-Nacht-Geschichte. "Wenig Erfolg hat man, wenn man mit dem Kind diskutiert, während es in einem Kaufhaus cholerisch ausrastet."
Die Psychotherapeutin Anna Schoch aus München rät: "Die meisten Erwachsenen sollten erst einmal ihre eigenen Maßstäbe überprüfen." Oft schielten auch sie nach teuren Marken. Eltern sollten Kindern verdeutlichen, dass sie auch mit guten Leistungen in der Schule, sportlichen Erfolgen oder sozialem Engagement punkten können. "Kinder müssen lernen, Massentrends zu widerstehen und Nein zu sagen."
Wie stark sich Kinder an Konsum und Marken orientieren, hängt vor allem vom familiären Umfeld ab. "Wenn Kinder zu viele Spielsachen oder Markenartikel bekommen, entwickeln sie schnell eine Konsumabhängigkeit", sagt Albert Wunsch, Leiter des Katholischen Jugendamtes in Neuss. Man solle ihnen in erster Linie Sachen schenken, die man nicht kaufen kann.
Spätestens in der Schule werden Kinder mit bestimmten Logos oder Marken konfrontiert. Bis zum zehnten Lebensjahr sind die Ansichten der Eltern noch wichtig. Danach zählt vor allem die Meinung der Gleichaltrigen. Mit dem Eintritt in die Pubertät suchen viele Kinder verstärkt nach der eigenen Identität. Die Werbung spricht gezielt diese Gruppe an. "Dem Kind wird suggeriert, dass nur ein bestimmter Schuh der richtige ist: Wenn du den nimmst, bis du ein anderer Mensch", sagt Hurrelmann. Diese Aufwertung durch ein Produkt sei natürlich nur eine Illusion. "Aber das Kind glaubt, jetzt von anderen anerkannt zu werden.
Wenn Kinder sagen "Das haben alle", sollte man das Wort "alle" hinterfragen. "Meist handelt es sich nur um Gruppen", sagt Hurrelmann. Eine Lösung kann auch sein, den Kauf um zwei, drei Monate zu verschieben und zu schauen, ob der Wunsch dann immer noch so stark ist. Bleibt der Wunsch bestehen oder wird das Kind tatsächlich wegen seiner Kleidung in der Schule gehänselt, rät Hurrelmann, nachzugeben. "Der Druck auf die Kinder ist in manchen Schulklassen wahnsinnig hoch. Wenn ich dem Kind nicht helfe, dränge ich es unter Umständen in eine Außenseiterrolle." Beim Kauf eines teuren Markenprodukts könnten Eltern auch das Kind einen Anteil vom Taschengeld bezahlen lassen. "So bekommen Kinder ein Verständnis, dass Marken ihren Preis haben."
03.01.05
Von Britta Schmeis und Carina Frey
Verbraucher aktuell
http://www.wz-newsline.de/seschat4/200/sro.php?redid=72356
Nachrichtr von der BI Bad Dürkheim
Starmail - 3. Jan, 21:29