Von Sascha Ott
Epidemiologie. - Kindliche Leukämie ist eine Krankheit, deren Ursachen Stoff für heftigste Diskussionen selbst unter Fachleuten bietet. Unter anderem stehen Sendemasten wegen der von ihnen ausgehenden elektromagnetischen Strahlung unter Verdacht. Eine breit angelegte epidemiologische Studie will jetzt herausfinden, ob sich Zusammenhänge herstellen lassen.
Die Mischung ist explosiv: eine allgegenwärtige Technik, eine grausame Krankheit und ein Risiko, das wissenschaftlich kaum zu ermessen ist. Kein Wunder, dass in der Diskussion des so genannten Elektrosmogs die Fronten seit Jahren verhärtet sind. Ob Handys Krebs auslösen oder Mobilfunkmasten uns den Schlaf rauben können, ist bisher ungeklärt. Nur in einem Bereich haben sich die Verdachtsfälle mittlerweile soweit verdichtet, dass unter unabhängigen Experten weitgehend Einigkeit besteht.
"Leukämie bei Kindern ist letztendlich die Erkrankung, wo von wissenschaftlicher Seite aus die meisten Hinweise bestehen, dass elektromagnetische Felder hier ein Risikofaktor sein könnten."
Dr. Joachim Schüz war selbst am epidemiologischen Institut der Universität Mainz an einigen dieser Studien beteiligt. In den 90er Jahren fanden mehrere Untersuchungen ein leicht erhöhtes Leukämie-Risiko für Kinder, die in der Nähe von starker niedrigfrequenter Strahlung aufwuchsen, zum Beispiel Hochspannungsleitungen oder Transformatoren. Eine biologische Erklärung für diese Ergebnisse konnte jedoch nicht gefunden werden. Seit langem schon steht auch die hochfrequente Strahlung der Rundfunksender unter Verdacht. Mittelwellensender strahlen mit einer Leistung von etwa 1,8 Megawatt. Noch im Abstand von 300 Metern wird der empfohlene Grenzwert der EU für elektromagnetische Strahlung überschritten. Bisher gingen allerdings erst wenige Studien der Frage nach, ob es gefährlich ist, in der Nähe dieser Sender aufzuwachsen. Schüz:
"Da ist zum Beispiel eine um den Radiosender Vatikan herum gemacht worden, um eine der stärksten Sendeanlagen, weil ja die ganze Welt mit dem Programm versorgt werden soll, wo man dann eine Risikoerhöhung für Kinderleukämie gefunden hat. Allerdings basierend auf nicht mal einer Handvoll Fällen letztendlich. Und das ist dann dementsprechend auch für alle Interpretationen offen."
Um mehr Fälle untersuchen zu können, helfen den Mainzer Forschern bei ihrer neuen Studie zwei große Datenquellen: das Kinderkrebsregister und die ARD. Im Krebsregister sind alle Leukämie-Erkrankungen in Deutschland seit Anfang der 80er Jahre erfasst. Die ARD wiederum verfügt über detaillierte Aufzeichnungen darüber, wann welcher Sendemast in den vergangenen Jahrzehnten wie starke Radiowellen verbreitet hat. Jetzt soll die Strahlenbelastung von Kindern, die seit 1984 an Leukämie erkrankt sind, verglichen werden mit einer gesunden Kontrollgruppe. Was wie eine relativ einfache Statistik-Aufgabe klingt, steckt in der Praxis voller Tücken. Schüz:
"Selbst wenn man die Sendeleistung einer Sendeanlage kennt und über das Antennendiagramm auch noch kennt, in welche Richtung wie stark abgestrahlt wird, ist es trotzdem schwierig für einen bestimmten Punkt die Feldstärke vorherzusagen. Das heißt, wir werden zusätzlich noch einmal mit Messreihen untersuchen, wie gut diese Abschätzungen zutreffen."
Außerdem stehen Joachim Schüz und sein Team vor der kniffligen Aufgabe, eine repräsentative Kontrollgruppe zu finden. Diese Probanden müssen zur gleichen Zeit unter vergleichbaren Bedingungen aufgewachsen sein, wie die Erkrankten. Die Epidemiologen wollen mehr als 2000 Fälle von Kinderleukämie aus den letzten 20 Jahren in die Studie aufnehmen. Mit dieser hohen Fallzahl sollte sich auch ein nur geringes Krebsrisiko nachweisen lassen. Schüz:
"Wir hoffen, dass wir allein mit dieser Studie in Deutschland schon relativ verlässliche Aussagen machen können. Von der Biologie her würde man eigentlich keinen Zusammenhang erwarten. Aber letztendlich, wenn wir in unserer Studie einen Zusammenhang sehen, dann wäre der alles andere als einfach wegzudiskutieren. Und das würden wir auch nicht tun."
Doz. Dr. Joachim Schüz ist Mitglied im Ausschuss nicht-ionisierender Strahlung der Strahlenschutzkommission (SSK). Joachim Schüz wird als Verharmloser des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes mit deutlicher Industrienähe beschrieben. Siehe unter: http://omega.twoday.net/stories/238911/ und
http://omega.twoday.net/stories/238902/
Da ein Großteil der Daten bereits vorhanden ist, könnten die Ergebnisse - für eine Studie dieser Größenordnung - relativ zügig vorliegen. Schon Mitte 2007 soll geklärt sein, ob eine Kindheit in der Nähe von Rundfunksendern unsichtbare Risiken birgt.
Omega siehe dazu: „Leukämie und elektromagnetische Felder“ unter: http://omega.twoday.net/stories/1164290/
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/439400/