13
Dez
2005

Risikodiskussion Mobilfunk

HLV INFO 187/AT

13-12-2005

Dipl.-Ing. Otto Einsporn 12-12-05

Sehr geehrte Damen und Herren,

bitte erlauben Sie mir, Ihnen im Anhang einen Brief an Frau Dr. Caroline Herr, Uni-Gießen, mit der höflichen Bitte um Kenntnisnahme und zur weiteren Verwendung nach Ihrem Ermessen zuzusenden.

Mit freundlichen Grüßen

Otto Einsporn


Bürgerinitiative MwW e.V. Dipl.-Ing. Otto Einsporn VDI Waldstraße 48, 63477 Maintal, Tel.: 06109 65260, Fax: 06109 66417, e-mail: oeinsporn@t-online.de

08.12.2005

Frau Dr. Caroline Herr, Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Justus-Liebig-Universität Gießen

Risikodiskussion Mobilfunk

Sehr geehrte Frau Dr. Herr,

Anlass für dieses Schreiben sind Ihre in öffentlichen Veranstaltungen immer wieder uneingeschränkt vorgetragenen Behauptungen, dass durch Mobilfunkstrahlung ausgelöste gesundheitliche Risiken bis heute nicht nachgewiesen konnten. Insbesondere heben Sie immer darauf ab, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Mobilfunkstrahlung und Gesundheit bisher nicht festgestellt werden konnte.

Nun können Entscheidungen über kausale Zusammenhänge zwischen Umwelt und Gesundheit durchaus auf der Basis epidemilogischer Beobachtungen von Auswirkungen getroffen werden, ohne dass ein Wirkungsmechanismus in Teilen oder vollständig bekannt ist. Prominentes Beispiel ist die Beobachtung des Londoner Arztes John Snow im Jahr 1854, der alle Todesfälle einer Durchfallepedemie in einem Stadtplan eintrug und als Verursacher einen bestimmten Brunnen ausmachte, um den sich die Todesfälle massiv häuften. Der Verdacht, dass das Trinkwasser der Auslöser des tödlichen Durchfalls war, wurde durch den Rückgang der Erkrankungen nach der Sperrung dieses Brunnens bestätigt. Das eigentliche Agens, nämlich die Cholerabakterien, wurde erst 30 Jahre später durch Robert Koch entdeckt. Die weitere Abklärung des Wirkmechanismus über Choleratoxine und die Hemmung eines Enzyms in der Dünndarmschleimhaut erfolgte erst nach weiteren 70 Jahren.

Epidemiologische Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Mobilfunkexposition und verschiedenen gesundheitlichen Symptomen liegen heute aus Frankreich, Spanien, Österreich, Israel u.a. und auch aus Deutschland vor. Allein die in der Broschüre der Bamberger Ärzteinitiative aus 500 Berichten ausgewählten 26 Kasuistiken zeigen, dass Menschen an Mobilfunkstrahlung schwer erkrankt sind, ohne dass die behandelnden Ärzte die Ursache erkannten. Die alles entscheidende Therapie war: Beendigung der Exposition!

Und der wissenschaftliche Originalbeitrag der Nailaer Ärzte Dr. Eger et.al. in Umwelt-Medizin-Gesellschaft (17) 4/2004 über den Einfluss der räumlichen Nähe von Mobilfunksendeanlagen auf die Krebsinzidenz zeigt auf, dass sich in einem Abstand bis zu 400m um die seit 1993 betriebene Mobilfunksendeanlage das Malignomrisiko gegenüber weiter entfernt wohnenden Patienten verdreifacht hat und die Patienten in durchschnittlich jüngerem Alter erkrankten. Derartige reale gesundheitliche Gefährdungen durch Mobilfunkstrahlung, werden heute u.a. in den Veröffentlichungen des BfS, der SSK, im TNO-Report, in der REFLEX-Studie und von zahlreichen wissenschaftlichen Institutionen weltweit bestätigt. Ein rational denkender Wissenschaftler würde keine Forderung nach einer vollständigen wissenschaftlichen Abklärung der Wirkungskette Mobilfunk-Gesundheit erheben, sobald aus epidemiologischen Untersuchungen wie den vorstehend beschriebenen schlüssige Verdachtsmomente vorliegen.

Und wenn die Professoren Bernhardt und Leitgeb, Mitglieder der ICNIRP, in einem Schriftwechsel mir gegenüber bestätigen, dass den Grenzwerten nach der 26. BimSchV ausschließlich die thermischen Wirkungen der Mobilfunkstrahlung zugrunde liegen und hinsichtlich nichtthermischer Wirkungen noch gründlich geforscht werden muss, dann impliziert das ja wohl, dass sie nichtthermische Wirkungen nicht ausschließen.

Schon in der Veröffentlichung der deutschen Strahlenschutzkommission SSK im Bundesanzeiger Nr.43 vom 03.03.1992 steht: „Über spezielle Effekte, die nicht auf Erwärmung beruhen, wird in der Literatur seit 15 Jahren berichtet. Die Membraneffekte wurden vielfach bestätigt, so dass ihre Existent heute als gesichert gilt. Hervorzuheben ist, dass die SAR-Werte hierbei teilweise kleiner als 0,01 W/kg sind und damit erheblich unterhalb thermisch relevanter Intensitäten liegen.“ Prof. Dr. Breckow, der am 09.09.2004 in Maintal noch öffentlich behauptete, dass es für nichtthermische Wirkungen der Mobilfunkstrahlung keine wissenschaftlichen Nachweise gibt, korrigierte sich denn auch mir gegenüber schriftlich, dass das Alter der SSK-Aussage kein Indiz für deren mangelnde Aktualität ist.

Auch für die Wirkungskette Mobilfunk-Gesundheit gilt wie für andere Bereiche die Formel

Intensität x Zeitdauer = Wirkung.

Weit unterhalb der Intensität der nur die thermischen Wirkungen berücksichtigenden gesetzlichen Grenzwerte nach der 26. BimSchV sind heute bei mehrtausendfach geringeren Intensitäten zahlreiche nichtthermische Wirkungen von Mobilfunkstrahlung nachgewiesen. Sie können über Einwirkungszeiträume von Jahren bis Jahrzehnten zu unabsehbaren gesundheitlichen Schäden für die von der Strahlung Betroffenen führen. Eine reduktionistische *) Betrachtungsweise, bei der nur die hohen Intensitäten der angeblich die Gesundheit schützenden gesetzlichen Grenzwerte im Kurzzeitversuch betrachtet werden, erzeugt dagegen eine falsche Perspektive von Sicherheit und stellt die gesundheitsgefährdende Wirklichkeit der Mobilfunkstrahlung auf den Kopf.

In der sich menschlich, gesundheitlich und politisch dramatisch zuspitzenden Risikodiskussion Mobilfunk wäre es wünschenswert, wenn Ihnen, Frau Dr. Herr, die Vielzahl der Untersuchungen über Effekte mit potentieller gesundheitlicher Relevanz als Folge elektromagnetischer Exposition zu einer wissenschaftlich objektiven Sichtweise des Themas „Mobilfunk und Gesundheit“ verhelfen könnten. Den von 36990 Bürgern, Ärzten, Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Institutionen unterschriebenen „Freiburger Appell“ als Panikmache zu diffamieren ist in einer konstruktiven vorwärts gerichteten Risikodiskussion Mobilfunk wenig hilfreich.


Mit verbindlichen Grüßen

Otto Einsporn

*) Reduktionismus = Betrachtungsweise, bei der nur einem Faktor ein ihm nicht zustehendes Übergewicht zugestanden wird.

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