Demonstranten gegen Mobilfunk-Sender verstellen Verwaltungsräten den Zutritt – Polizei nicht gerufen
von Hans Werner Penning
Am Protest der Bürgerinitiative gegen Mobilfunk-Sendeanlagen scheiterte eine Sitzung des Verwaltungsrates der Verwaltungsgemeinschaft Steinfeld. Rund 30 Demonstranten hinderten die Bürgermeister und Gemeinderäte aus Königsfeld, Stadelhofen und Wattendorf am Zutritt zum Sitzungssaal im Steinfelder Rathaus.
Dienstagabend, etwa 18.45 Uhr: auf dem Parkplatz vor dem VG-Gebäude in Steinfeld stehen mehrere Gruppen von Menschen, die in bekannter Manier mit Transparenten gegen die Mobilfunk-Sendeanlagen in Stadelhofen und Steinfeld protestieren. Das wäre nicht außergewöhnlich.
Riesen-Spektakel im Treppenhaus
Doch der Protest geht in dem Gebäude weiter, und zwar auf ungewöhnlich heftige Weise: erregte Debatten der Mobilfunk-Gegner untereinander und mit Gemeinde-Vertretern, Trillerpfeifen, Pressluft-Hörner, Geschrei mischen sich in dem kleinen Vorraum zwischen Eingangstür und Treppenhaus, dass man bei dem Höllenspektakel kaum das eigene Wort versteht. Trotzdem versuchen die Bürgermeister der drei Mitgliedsgemeinden der VG Steinfeld, Albert Dippold (Königsfeld, auch VG-Vorsitzender), Ludwig Göhl (Stadelhofen) und Rudolf Krapp (Wattendorf) mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen – ein hoffnungsloses Unterfangen. Bei der aufgeheizten Stimmung ist man für Argumente nicht zugänglich.
Auf der unteren Hälfte der schmalen Treppe zum Obergeschoss – also in Richtung Sitzungssaal – stehen derweil dichtgedrängt etwa zwölf Personen, die niemanden hinauf- oder herunterlassen. Wie ein Korken im Flaschenhals stecken die Männer und Frauen fest und machen auch nicht die geringsten Anstalten, den gewählten Gemeinde-Vertretern die Erfüllung ihrer Pflichten zu gestatten.
Oben, im Sitzungssaal – das spricht sich langsam herum – bereitet sich derweil ein Gast aus München auf seinen Sitzungsvortrag vor: Werner Fischhaber, Referent des Mobilfunk-Betreibers e-plus für Mobilfunk und Umwelt, ist extra für diesen Abend auf eigene Kosten an die Wiesent gekommen. Dem Verwaltungsrat geht es bei der Zusammenkunft vor allem um eine ausführliche und objektive Information, was e-plus im VG-Bereich vorhat und wie allgemein die Entwicklungen auf diesem Sektor und bei e-plus sind. Irgendwelche Entscheidungen stehen nicht auf dem Plan. Dem Gast aus München hat man für sein Kommen eine Art „freies Geleit“ zugesichert und deshalb die Versammlung zwar nichtöffentlich anberaumt, aber für eine objektive Information der Öffentlichkeit im Nachhinein Sorge getragen. Wie berechtigt diese gut gemeinte Diskretion war, sollte sich am Dienstagabend erweisen.
Irgendwie müssen dann aber doch Termin und Zweck der Versammlung publik geworden sein. Kein Wunder, sind doch mehrere Gemeinderäte zugleich in führenden Positionen in der Bürgerinitiative und stehen nun besonders in dem Verdacht, die Vertraulichkeit der Sitzungsladung verletzt zu haben.
Denn etwa eine Stunde vor Tagungsbeginn – Geschäftsleiter Norbert Konrad und Werner Fischhaber bereiteten im Sitzungssaal den Vortrag des e-plus-Vertreters vor – klingelte es an der Rathaustür. Beim Öffnen erklärte ein junges Mädchen, auf die Toilette zu müssen, was offensichtlich ein Vorwand war. Denn kaum war die Möglichkeit gegeben, kamen von außen bereits die Demonstranten ins Haus und nahmen ihre „Positionen“ ein. Genehmigt war die „Demonstration“ natürlich nicht und die Teilnehmer wurden später auch mehrfach auf die Strafbarkeit ihres Tuns hingewiesen.
Trotzdem sah die Führungsspitze der Verwaltungsgemeinschaft Steinfeld davon ab, die Polizei einzuschalten und sich den Zugang zum Sitzungssaal zu erzwingen. Sämtliche Appelle an die Vernunft vor allem derer aber, die den „Korken“ bildeten, blieben erfolglos. Selbst die Zusage, einer Delegation der Bürgerinitiative die Teilnahme an der Sitzung zu ermöglichen, fruchtete nicht. Man äußerte wiederholt die Befürchtung, durch den Informationsgehalt der Sitzung benachteiligt zu werden. Alle aber wurden nicht eingelassen. Ergo blieb der Zugang versperrt, und das auch nach einer halben und nach einer ganzen Stunde. Längst hatte Albert Dippold die Sitzung abgeblasen und die meisten Räte hatten den Heimweg angetreten.
Fäuste bedrohen
Gast aus München
Doch die „Demonstranten“ warteten noch auf jemand anderen. Es bedurfte schon einigen Nachdrucks der Bürgermeister, eine Gasse für Werner Fischhaber zu bahnen, der schließlich schweigend das Rathaus verlassen konnte. Bedroht wurde der Gast aus München allerdings nicht nur von lautem Gejohle und Gepfeife, sondern auch von der einen oder anderen „Demonstranten“-Faust, die seinem Gesicht gefährlich nahe kam.
Womit sich auch die Begründung für die Nichtöffentlichkeit der Verbandsversammlung deutlich bestätigt haben dürfte. Verwaltungsleiter Norbert Konrad fühlte sich sogar an die wilden Proteste der „68er“ erinnert, die er als junger Mann in Frankfurt live miterlebt hat.
http://www.fraenkischer-tag.de/nachrichten/index.php?MappeCID=09r5u0dghokpfvtatjhn1&Hierarchie=sdx0nz6t-p7iedyzw6ttg&Seite=Regional-Nachrichten&SeiteSub=7-Tage-Archiv&PHPSESSID=b154c3e9f9989739b5a67a7e0c22435a
HLV Anmerkung:
Die Instrumentalisierungskampagne seitens der Betreiber gegenüber Kommunalpolitikern läuft bekannterweise schon lange auf breiter Ebene. So wurden und werden am v.e. Beispiel vielerorts Politiker "wohlwollend und herzlichst" eingeladen und entsprechend im Interesse der wirtschaftlichen Zielsetzung einseitig informiert und manipuliert.
Die Beteiligung der Betroffenen, sprich der Bevölkerung, wird hierbei natürlich ignoriert - die Genannten unterliegen ja ohnehin der sogenannten "Duldungspflicht".
Wen wundert es da noch, wenn Politik- und Parteiverdrossenheit zunehmen und vor allem, wenn ein "ziviler Ungehorsam" scheinbar im Wachsen begriffen ist?
M.f.G.
HLV Redaktion
Alfred Tittmann
presse@hessenbiss.de
http://www.hessenbiss.de
Leserbrief zum Bericht im Fränkischen Tag vom 25.11.2004 "Rathausbesetzung in Steinfeld ..."
Zu dem Protest vergangene Woche in Steinfeld möchte wir auch die Sichtweise von unmittelbar durch den Mobilfunk-Mast Betroffenen schildern und einige Punkte zu dem o.g. Bericht richtig stellen:
Herr Teuscher hat in seinem "Standpunkt" (Die Geister, die sie riefen, ...) in der letzten Samstagsausgabe des FT die Gemütslage aller Betroffenen auf den Punkt gebracht. Volkes Seele kocht. Und deshalb kam es auch zu diesem ungewöhnlichen Protest. Denn bei der am vergangenen Dienstag anberaumten Sitzung handelte sich nicht, wie berichtet, um eine Sitzung des Verwaltungsrates der Verwaltungsgemeinschaft Steinfeld (dieser besteht nur aus 8 Mitgliedern), sondern um eine gewöhnliche Informationsveranstaltung der Firma e-plus für alle Gemeinderäte der Verwaltungsgemeinschaft Steinfeld, die allerdings nicht öffentlich war. Warum sollten die Bürgerinnen und Bürger ausgeschlossen werden, haben sie nicht auch ein Recht auf Informationen aus erster Hand?
Vielleicht hätte der Gemeinschaftsvorsitzende Dippold die ganze Veranstaltung besser als Werbeveranstaltung betiteln sollen, in der der Mobilfunkbetreiber allen uninformierten und vielleicht bisher auch uninteressierten Gemeinderäten und Bürgermeistern unbehelligt erzählen darf, wie nützlich, unbedenklich und ungefährlich der Mobilfunk doch ist. Einen anderen Zweck konnte diese Veranstaltung nicht haben.
Um den dreisten Verdächtigungen über das Bekannt werden von Termin und Zweck dieser Veranstaltung ein Ende zu bereiten, es war niemand anders als der Bürgermeister selbst, der dies schon Anfang November in einem Gespräch mit Stadelhofener Bürgern am Rande bemerkte.
Die laut Zeitungsbericht "ausführliche und objektive Information, was e-plus im VG-Bereich vorhat", ist pure Ironie. Ein leitender Angestellter eines Mobilfunkunternehmens kann nicht objektiv über Mobilfunk referieren. Zudem hat Stadelhofen schon zwei Antennenstandorte im Ort, ein weiterer wird gesucht, Königsfeld ist wohlversorgt, Steinfeld und Treunitz sind es bald auch. Da bleibt nicht mehr viel übrig. Erst die Basisstationen montieren und dann informieren. Ganz dem Unternehmensleitbild von e-plus entsprechend: "Wir informieren offen und aktiv [...] und berücksichtigen bei unseren Unternehmensaktivitäten die Gesundheits- und Umweltinteressen unserer Mitarbeiter, Kunden und Bürger." Man beachte, an welcher Stelle der Bürger steht. Übrigens hätte man die meisten dieser Information durch Herrn Fischhaber auch einfacher haben können. Anfang Oktober war nämlich in Weismain eine öffentliche (!) Informationsveranstaltung mit ebendiesem Herrn. In Steinfeld hatte er dann auf einmal nicht mehr die Kompetenz sich mit Bürgern zu unterhalten. Interessierte Bürger und Bürgerinnen aus Steinfeld und Stadelhofen waren übrigens dort, wie schon bei vielen anderen solchen Informationsveranstaltungen.
Wenn man wirklich eine gewisse Objektivität hätte gewährleisten wollen, dann hätte man auch einen Mobilfunkkritiker einladen müssen. Aber mittlerweile lassen sich die Herren Mobilfunkbetreiber schon "freies Geleit" zusichern, damit ihnen niemand mehr in die Quere kommt. Und wie dann die objektive Information der Öffentlichkeit aussieht, haben wir letzte Woche erfahren. Der arme Referent muss auf eigene Kosten anreisen, dafür wird er dann aber von unserem bestbezahlten Verwaltungsangestellten bei der Vorbereitung seines Vortrages stundenlang unterstützt, damit dieser seine Wirkung nicht verfehlt.
Und als der Referent unverrichteter Dinge wieder ging, dann wurde ihm höflich eine Gasse aufgetan. Sicherlich hat man gejohlt und die Arme jubelnd nach oben gerissen, aber seinem Gesicht kamen keine Fäuste bedenklich nahe. Wahrscheinlich konnte Herr Fischhaber das Abendessen und die Übernachtung in Königsfeld (!) wegen dieser Ereignisse nicht genießen und am nächsten Tag nicht zufrieden nach Hause fahren. Doch die Initiatoren dieser Veranstaltung sollten sich einmal Gedanken machen, wem gegenüber sie verantwortlich sind, von wessen Steuergeldern sie bezahlt werden und von wem sie gewählt wurden, den Mobilfunkbetreibern oder den Bürgerinnen und Bürgern?
Für die BI Steinfeld-Stadelhofen
Bernhard Lang
Steinfeld 9
96187 Stadelhofen
Margit Lohneis
Steinfeld 8
96187 Stadelhofen
Omega siehe dazu auch „Protestwelle weitet sich aus" unter:
http://omega.twoday.net/stories/320367/