Umsturz in Ecuador
Ein paar eigene Gedanken
[in Ermangelung eines vernünftigen deutschsprachigen Artikels diesmal ausnahmsweise ein selbstgebackener Beitrag, bei Bedarf kein Einwand gegen nichtkommerzielle Weiterverwertung]
Wie über die Medien zu erfahren war, musste der Ecuadorianische Präsident Lucio Gutiérrez vor wenigen Tagen aufgrund der anhaltenden landesweiten Unruhen die Flucht ergreifen (inzwischen im Exil in Brasilien angelangt). Auslöser war die Auflösung des obersten Gerichtshofes, womit er sich den Ruf eines Diktators einbrachte.
Doch die tieferen Ursachen liegen, wie bekannt, wo ganz anders. Gutiérrez gehörte wie so manch andere, gestürzte, oder zumindest in schwere Bedrängnis geratene Lateinamerikanische Staatsoberhäupter, zu den "Vorzeigekindern" der Wirtschaftspolitik von Weltbank, IWF und WTO, d.h. einer brachialen Kahlschlag- und Privatisierungspolitik, und das in einem Land, das ohnehin schon schwer mit Armut zu kämpfen hat.
Der Kampf gegen Privatisierungsmaßnahmen, gegen "Frei"-Handelsabkommen und "Strukturanpassungsprogramme" ist in vielen lateinamerikanischen Ländern immer wieder neu entfacht.
Erinnern wir uns an den Aufstand in Argentinien, einem reichen Land, im Dezember 2001. Dort ging die relativ wohlhabende Mittelschicht auf die Strasse, nachdem wegen Zahlungsunfähigkeit durch die hohen IWF-Schulden die Banken landesweit geschlossen hatten.
Unter den Andenstaaten ist neben Ecuador, wo es Anfang 2000 bereits massive landesweite Proteste gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik gab, insbesondere Bolivien zu nennen mit dem "Guerra del Agua" auch im Jahr 2000, und dem "Guerra del Gas", beide setzen sich nach wie vor fort, in Bolivien gab es Anfang dieses Jahres gerade wieder massive Auseinandersetzungen.
In Guatemala gingen die Menschen vor einigen Wochen gegen die Unterzeichnung des mittelamerikanischen Freihandelsabkommens mit dem USA "CAFTA" oder spanisch "TLC" auf die Strasse.
Eine typische, u.a. in den Andenstaaten verbreitete Protestform ist die Straßenblockade. Diese ist sehr effektiv, v.a. in den entlegenen Gebieten. Oft sind es die "Indigenas" also die "Ureinwohner" die solche Blockaden machen. Wenige Stunden nachdem die Polizei eine Blockade geräumt hat, steht sie schon wieder, bzw. ist längst an einer anderen Stelle eine neue errichtet. In Argentinien werden solche Blockaden von den "Piqeteros" gemacht, übersetzt "Streikposten", es handelt sich um organisierte Arbeitslosen-Bewegungen.
Apropos Polizei: Die Repression in Lateinamerika ist in der Regel viel härter als bei uns. "Wir" waren von Genua schockiert, aber dort wiederholt sich ein Genua ständig wieder, bzw. wurde auch schon vorher gewaltig reingeprügelt, und Todesopfer gibt es immer wieder, manchmal auch recht viele, wie beim Umsturz in Argentinien.
Ob die Proteste was bringen, steigt die Frage auf. Wird eine Regierung gestürzt, plopp - gibt es eine neue mit einem neun Präsidenten, wie immer ein weißer, aus der reichen Oberschicht. Bringt also nichts?
Ich denke schon. Durch die Massenmobilisierungen gibt es auch "Massenpolitisierungen", Die Menschen lernen voneinander aus unterschiedlichen Richtungen, ob arm oder reich. Die "Radikalen" sind dort eher die Indignas (in den Anden) oder die Piqueteros (in Argentinien). Die "bürgerlichen" (wenn dieser Begriff dort überhaupt angebracht ist) schließen sich deren Protestformen oft an. V.a. aus Argentinien sind Selbstorganisationsformen bekannt, die Fabrikbesetzungen, die Assembleas (Barrio/Stadtviertelversammlungen auf denen so weit es geht im Konsensprinzip entschieden wird) ... Wer da jetzt eigentlich an der Regierung ist spielt eigentlich keine Rolle mehr darauf wird sowieso gesch...
Die etablierten Linken, selbsternannte Linksradikale usw. hinken meist weit hinterher. Die Sozialen Bewegungen, die tatsächlich etwas bewegen, und auch mal einen Präsidenten stürzen, sind weitestgehend frei von politischen Dogmen. Während die 'etablierten' in Lokalen sitzen und neue sozialistische Pamphlete diskutieren machen die anderen gerade die Revolution auf der Strasse, so zu sagen.
Aus diesen Bewegungen ist schließlich auch Peoples' Global Action hervorgegangen, Keimzelle war ein 'Intergalaktisches' Treffen an dem weit mehr teilnahmen als erwartet, in Chiapas, aber das ist eine andere Geschichte. Ist es das wirklich?
Eine Artikelübersicht zu Ecuador gibt es hier:
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/free/imf/ecuador/txt/2005/
anro
[in Ermangelung eines vernünftigen deutschsprachigen Artikels diesmal ausnahmsweise ein selbstgebackener Beitrag, bei Bedarf kein Einwand gegen nichtkommerzielle Weiterverwertung]
Wie über die Medien zu erfahren war, musste der Ecuadorianische Präsident Lucio Gutiérrez vor wenigen Tagen aufgrund der anhaltenden landesweiten Unruhen die Flucht ergreifen (inzwischen im Exil in Brasilien angelangt). Auslöser war die Auflösung des obersten Gerichtshofes, womit er sich den Ruf eines Diktators einbrachte.
Doch die tieferen Ursachen liegen, wie bekannt, wo ganz anders. Gutiérrez gehörte wie so manch andere, gestürzte, oder zumindest in schwere Bedrängnis geratene Lateinamerikanische Staatsoberhäupter, zu den "Vorzeigekindern" der Wirtschaftspolitik von Weltbank, IWF und WTO, d.h. einer brachialen Kahlschlag- und Privatisierungspolitik, und das in einem Land, das ohnehin schon schwer mit Armut zu kämpfen hat.
Der Kampf gegen Privatisierungsmaßnahmen, gegen "Frei"-Handelsabkommen und "Strukturanpassungsprogramme" ist in vielen lateinamerikanischen Ländern immer wieder neu entfacht.
Erinnern wir uns an den Aufstand in Argentinien, einem reichen Land, im Dezember 2001. Dort ging die relativ wohlhabende Mittelschicht auf die Strasse, nachdem wegen Zahlungsunfähigkeit durch die hohen IWF-Schulden die Banken landesweit geschlossen hatten.
Unter den Andenstaaten ist neben Ecuador, wo es Anfang 2000 bereits massive landesweite Proteste gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik gab, insbesondere Bolivien zu nennen mit dem "Guerra del Agua" auch im Jahr 2000, und dem "Guerra del Gas", beide setzen sich nach wie vor fort, in Bolivien gab es Anfang dieses Jahres gerade wieder massive Auseinandersetzungen.
In Guatemala gingen die Menschen vor einigen Wochen gegen die Unterzeichnung des mittelamerikanischen Freihandelsabkommens mit dem USA "CAFTA" oder spanisch "TLC" auf die Strasse.
Eine typische, u.a. in den Andenstaaten verbreitete Protestform ist die Straßenblockade. Diese ist sehr effektiv, v.a. in den entlegenen Gebieten. Oft sind es die "Indigenas" also die "Ureinwohner" die solche Blockaden machen. Wenige Stunden nachdem die Polizei eine Blockade geräumt hat, steht sie schon wieder, bzw. ist längst an einer anderen Stelle eine neue errichtet. In Argentinien werden solche Blockaden von den "Piqeteros" gemacht, übersetzt "Streikposten", es handelt sich um organisierte Arbeitslosen-Bewegungen.
Apropos Polizei: Die Repression in Lateinamerika ist in der Regel viel härter als bei uns. "Wir" waren von Genua schockiert, aber dort wiederholt sich ein Genua ständig wieder, bzw. wurde auch schon vorher gewaltig reingeprügelt, und Todesopfer gibt es immer wieder, manchmal auch recht viele, wie beim Umsturz in Argentinien.
Ob die Proteste was bringen, steigt die Frage auf. Wird eine Regierung gestürzt, plopp - gibt es eine neue mit einem neun Präsidenten, wie immer ein weißer, aus der reichen Oberschicht. Bringt also nichts?
Ich denke schon. Durch die Massenmobilisierungen gibt es auch "Massenpolitisierungen", Die Menschen lernen voneinander aus unterschiedlichen Richtungen, ob arm oder reich. Die "Radikalen" sind dort eher die Indignas (in den Anden) oder die Piqueteros (in Argentinien). Die "bürgerlichen" (wenn dieser Begriff dort überhaupt angebracht ist) schließen sich deren Protestformen oft an. V.a. aus Argentinien sind Selbstorganisationsformen bekannt, die Fabrikbesetzungen, die Assembleas (Barrio/Stadtviertelversammlungen auf denen so weit es geht im Konsensprinzip entschieden wird) ... Wer da jetzt eigentlich an der Regierung ist spielt eigentlich keine Rolle mehr darauf wird sowieso gesch...
Die etablierten Linken, selbsternannte Linksradikale usw. hinken meist weit hinterher. Die Sozialen Bewegungen, die tatsächlich etwas bewegen, und auch mal einen Präsidenten stürzen, sind weitestgehend frei von politischen Dogmen. Während die 'etablierten' in Lokalen sitzen und neue sozialistische Pamphlete diskutieren machen die anderen gerade die Revolution auf der Strasse, so zu sagen.
Aus diesen Bewegungen ist schließlich auch Peoples' Global Action hervorgegangen, Keimzelle war ein 'Intergalaktisches' Treffen an dem weit mehr teilnahmen als erwartet, in Chiapas, aber das ist eine andere Geschichte. Ist es das wirklich?
Eine Artikelübersicht zu Ecuador gibt es hier:
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/free/imf/ecuador/txt/2005/
anro
Starmail - 25. Apr, 13:34