9
Nov
2005

Der Tod auf leisen Schwingen: die Vogelgrippe ist im Anmarsch

Journalist 11/2005, S. 35 f.

Vormarsch der Killer-Enten

Fakten-Recherche zu Horrormeldungen

Schenkt man manchen Medien Glauben, so wird die Welt in naher Zukunft von einer Epidemie heimgesucht, ausgelöst durch Mutation eines Vogelgrippevirus mit dem faszinierend-schaurigen Namen H5N1. Auf welchen Fakten basieren die Horrormeldungen? Eine kleine Recherche.

Von Torsten Engelbrecht, David Crowe und Jim West

Schon auf Seite 1 lesen wir in der "Zeit" mit Schaudern: "Der Tod auf leisen Schwingen - die Vogelgrippe ist im Anmarsch." Weiter ist vom "bevorstehenden Angriff der Killerenten" zu lesen, und als gehe es darum, den Titel für den zweiten Teil des Hollywood-Schockers "Outbreak" zu kreieren, schreibt das Wochenblatt: "H5N1 spielt Blitzkrieg". Der "Spiegel" beruft sich derweil auf Aussagen von David Nabarro, im September zum UN-Chefkoordinator im Kampf gegen die Vogelgrippe ernannt: "Jeden Moment kann eine neue Grippe-Pandemie ausbrechen - und bis zu 150 Millionen Menschen töten." Das "Foreign-Policy-Journal" zitiert einen Experten der US-Seuchenbehörde CDC, der die Todesziffer flott auf 360 Millionen erhöht. Reinhard Kurth, Leiter des Robert-Koch-Instituts, ist mit seinem Interview mit der FAZ nicht mehr zu toppen: "Eine Pandemie bedroht potenziell alle sechs Milliarden Menschen."

Bei so viel medial vermittelter Weltuntergangsstimmung muss allemal die Frage nach den Fakten gestattet sein: Sind die Warnungen durch wissenschaftliche Daten gedeckt? Gibt es unabhängige Studien, die beweisen, dass das H5N1-Virus existiert, dass es bei Tieren (hochgradig) pathogen ist, dass es auf den Menschen überspringen und eine Pandemie auslösen kann? Gibt es einwandfreie Beweise dafür, dass andere Faktoren (Umweltgifte, Fremdeiweiße etc.) als Ursache für die Erkrankung der Vögel ausgeschlossen werden können?

Die Medien selber haben keine derartigen Beweise parat. Darauf deutet nicht nur die sehr hohe Zahl an Experten hin, die bei ihnen zu Wort kommen. Eine Nachfrage bei verschiedenen Printmedien bleibt ergebnislos, aus der "Zeit" heißt es lediglich: "Alle Primär-Quellen sind über DIMDI oder Pubmed leicht recherchierbar und dann über Subito zu bestellen. Experten zum Beispiel im Robert-Koch-Institut oder der Bundesforschungsanstalt für Virus-Krankheiten in Riems sind für Fragen von jedem Journalisten offen. Und auch die einschlägigen CDC und WHO-Publikationen sind frei zugänglich." Der "Zeit" selbst liegen also keine konkreten Studien vor; statt dessen vertraut sie - wie im Wissenschaftsjournalismus üblich - den Aussagen der Medizin-Autoritäten.

Zeitbombe. Die jedenfalls, wird angenommen, haben ihre Aussagen wissenschaftlich untermauert. So geht das Verbraucherschutzministerium zusammen mit entsprechenden Behörden in den USA, Kanada oder Frankreich und mit den Verantwortlichen bei der Weltgesundheitsbehörde WHO fest davon aus, dass H5N1 ein "hoch pathogenes und hoch ansteckendes" Virus ist - "eine Zeitbombe, die nur darauf wartet, gezündet zu werden", wie es Anthony Fauci, Leiter der US-Behörde National Institute of Allergy and Infectious Diseases und graue Eminenz der amerikanischen Virus-Wissenschaft, formuliert.

Die Fragen an das Bundesverbraucherschutzministerium lösen zunächst folgende Antwort aus: "Sie fragen sehr spezielle Sachverhalte an, die das Ministerium - dafür bitte ich um Verständnis - gegenwärtig nicht so schnell beantworten kann, wie das für Ihre Recherche notwendig wäre." Auf unseren Hinweis, dass wir durchaus Zeit hätten und nur gerne wissen würden, bis wann wir mit einer Antwort rechnen könnten, reagiert das Ministerium dann aber mit Verweis auf die wissenschaftlichen Instanzen: "Ihre Fragen nach Belegen für die Pathogenität beziehungsweise Pandemiefähigkeit des H5N1-Virus und den Studien, die dies belegen, können Ihnen nur die Experten beim Robert-Koch-Institut und beim Friedrich-Löffler-Institut beantworten."

Das Friedrich-Löffler-Institut (FLI), das laut Verbraucherschutzministerium sogar "über Virus isolate von H5N1 verfügt", schickt als Antwort vier Studien, veröffentlicht in amerikanischen Fachmagazinen. Die behandeln zwar Pathogenität und Pandemiefähigkeit, gehen jedoch nicht darauf ein, ob nicht andere Faktoren wie Toxine als Ursache für die Erkrankung der Tiere in Frage kommen. Und bezüglich der Pandemiegefahr konzediert das FLI, "… dass es derzeit keine wissenschaftliche Methode mit Vorhersagewirkung gibt, die die Möglichkeit, dass ein Influenzavirus eine neue Pandemie induziert, bewerten könnte".

Das Interessanteste: Nicht einmal zur Existenz und Pathogenität von H5N1 liefern die vom FLI präsentierten Untersuchungen wirklich Substanzielles. Wenn ein Virus existiert, das eine derartige Krankheit auslösen kann, muss es auffindbar sein - im Fachjargon: Es muss "reines" Virusmaterial vorliegen. Doch genau das ist bisher anscheinend nicht der Fall.

Wenn aber die Existenz, die Pathogenität und das Pandemie-Potenzial von H5N1 unbewiesen ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass andere Faktoren die Vögel krank gemacht haben, dann fehlt die Voraussetzung für mögliche Folgerungen. Die "Zeit" fordert zwar: "Es ist höchste Zeit, dass Deutschland genügend Medikamente kauft", schränkt aber zugleich ein: "Die antiviralen Mittel verhindern die Erkrankung zwar nicht, sie mildern aber den Verlauf." Das stimmt nach Auffassung der etablierten Medizin; generell aber ist nicht einmal sicher, dass die Medikamente - im Mittelpunkt steht hier das Präparat Tamiflu (Oseltamivir) - den Krankheitsverlauf "mildern". Zwar gibt es Studien, die diese Auffassung stützen. Doch welche Aussagekraft haben sie, wenn nicht gewährleistet werden kann, dass sie frei von Interessenskonflikten sind?

Referenz-Krankheit. Oft wird die so genannte "spanische Grippe" von 1918/19 quasi als Referenz für die H5N1-Panik ins Spiel gebracht. Auch hier beruft man sich auf Expertenäußerungen und auf Studien, veröffentlicht etwa in "Science". Doch wer bei der "Spanischen Grippe" vorschnell annimmt, dass sie durch ein einziges Virus hervorgerufen wurde und dass sie allein für den Tod von 25 bis 50 Millionen Menschen verantwortlich gemacht werden kann, macht es sich zu leicht. Fakten für eine solche These gibt es jedenfalls nicht.

Zudem ereignete sich das Massensterben am Ende des Ersten Weltkrieges - zu einer Zeit also, als unzählige Menschen nach vier Kriegsjahren ausgelaugt, unterernährt und gestresst waren. Zudem enthielten Medikamente damals hochgiftige Substanzen wie Schwermetalle, Arsen, Formaldehyde oder Chloroform, die schwere Grippesymptome auslösen können. Und zahlreiche für die militärische Anwendung gedachte Chemikalien wanderten damals unkontrolliert in den zivilen Sektor (Landwirtschaft, Medizin).

Fest in Sachen Vogelgrippe steht lediglich, dass, wie Reuters am 20. Juli 2005 meldet, die im Zuge der H5N1-Panik eingeleitete "weltweite Grippe-Vorsorge" dem Tamiflu-Hersteller "Roche einen Gewinnsprung beschert" hat. Genauer: Die globalen "Tamiflu-Verkäufe stiegen im ersten Halbjahr um 363 Prozent auf 580 Mio. Franken" - auch dank deutscher Steuergelder. Allein NRW hat, wie der "Zeit" zu entnehmen ist, "im Juli angekündigt, für 30 Millionen Euro Medikamente einzulagern".


Treffer. Doch welche Redaktion hat nachgeprüft, ob die Studien zu Tamiflu frei von Interessenkonflikten und de facto aussagekräftig sind? Dem Internet lässt sich leicht entnehmen, ob Roche Tamiflu- bzw. Oseltamivir-Studien finanziert: Suchbegriffe wie "Roche funded pubmed Oseltamivir" ergeben stolze 128 Treffer.

Nichts Außergewöhnliches: Erst kürzlich stellte das britische Parlament in einer umfassenden Untersuchung fest, dass drei Viertel jener klinischen Studien, die in führenden Wissenschaftsmagazinen veröffentlicht werden, von Pharmafirmen finanziert werden. Die Fachzeitschrift "New England Journal of Medicine" (NEJM) hat 2002 die Richtlinien für Autoren so abgeändert, dass Übersichtsartikel und Editorials auch von Experten geschrieben werden dürfen, die Dritthonorare von bis zu 10.000 Dollar pro Jahr kassieren - wobei diese Honorare durchaus auch von Firmen stammen dürfen, deren Produkte in dem betreffenden Artikel genannt sind.

Als wesentlichen Grund für die Änderung der Autoren-Richtlinien nannte das NEJM, dass man sich schlicht nicht mehr in der Lage sehe, genügend Top-Experten zu finden, die keine finanziellen Verbindungen zur Pharmaindustrie haben.


Torsten Engelbrecht, David Crowe und Jim West arbeiten als Wissenschaftsjournalisten in Hamburg, New York und Calgary/Kanada

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