Was man in der U-Bahn so alles mithört
Von Hermann Schlösser
Vor kurzem habe ich in einem Wagen der Linie U2 einem Herrn zugehört, der am Handy Geschäftsgespräche abwickelte. Unter anderem erklärte er seinem unsichtbaren Gesprächspartner, wie der einen schwer kündbaren Mitarbeiter loswerden könne. Er zählte in allen Einzelheiten auf, welche Regelverstöße sich der Betreffende schon habe zuschulden kommen lassen, meinte, da sei längst eine fristlose Entlassung drinnen – und so weiter.
Szenen dieser Art gehören zu den Standarderlebnissen des Alltags: In Bussen, Straßenbahnen, Zügen und U-Bahnen wird man unausgesetzt zum Ohrenzeugen dienstlicher und privater Gespräche – und man wird durchaus nicht gefragt, ob einem derartige Offenbarungen willkommen sind.
Manchen dieser Telefon-Exhibitionisten ist nur zu deutlich anzumerken, dass sie das akustische Bad in der Menge genießen. Sie wollen wahrgenommen werden – wenn es sein muss, mit Gewalt. In schöner Offenheit hat das einmal ein junger Mann ausgedrückt, der in sein Handy brüllte: "Irgendwer muss mir doch zuhören in diesem verdammten Land!"
Der Herr in der U2 dagegen war von anderem Schlag. Er unternahm einiges, um sich gegen unbefugte Zuhörer zu schützen. Natürlich nannte er keine Namen – außer seinem eigenen am Beginn des Gesprächs – und er sprach auch nicht übertrieben laut. Ihm war also offensichtlich an einer gewissen Diskretion gelegen – was sich bei dem heiklen Thema, das er abhandelte, ja von selbst versteht.
Eben deswegen ist es aber umso schwerer zu begreifen, dass ein professioneller, hoch seriös aussehender Herr Themen, die nicht für jedermanns Ohren bestimmt sind, überhaupt in der U-Bahn abhandelt. Fürchtet er sich nicht davor, dass ein Zuhörer sich aus den Informationsbruchstücken den richtigen Reim machen kann, daraufhin den von der Entlassung Bedrohten anruft und sagt: "Ich habe gerade in der U-Bahn erfahren, dass du deinen Job verlierst" ? Hat er kein Gefühl dafür, dass vertrauliche Gespräche dort geführt werden sollten, wo sie hingehören: in geschlossenen Räumen?
Offenbar nicht. Auch er gehört eben zu den Telefonierern neuesten Typs, die ohne Bedenken drauflos reden. Manche tun das, weil sie sich nach Publikum sehnen. Andere scheinen darauf zu vertrauen, dass sie im anonymen Gedränge der Großstadt sozusagen von einer unsichtbaren Wand vor allzu neugierigen Ohren geschützt sind. Vielleicht sollte man ihnen bei Gelegenheit zu verstehen geben, dass dieses Vertrauen nicht ganz berechtigt ist.
Freitag, 18. November 2005
http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3947&Alias=wzo&cob=207733
Nachricht von der BI Bad Dürkheim
Vor kurzem habe ich in einem Wagen der Linie U2 einem Herrn zugehört, der am Handy Geschäftsgespräche abwickelte. Unter anderem erklärte er seinem unsichtbaren Gesprächspartner, wie der einen schwer kündbaren Mitarbeiter loswerden könne. Er zählte in allen Einzelheiten auf, welche Regelverstöße sich der Betreffende schon habe zuschulden kommen lassen, meinte, da sei längst eine fristlose Entlassung drinnen – und so weiter.
Szenen dieser Art gehören zu den Standarderlebnissen des Alltags: In Bussen, Straßenbahnen, Zügen und U-Bahnen wird man unausgesetzt zum Ohrenzeugen dienstlicher und privater Gespräche – und man wird durchaus nicht gefragt, ob einem derartige Offenbarungen willkommen sind.
Manchen dieser Telefon-Exhibitionisten ist nur zu deutlich anzumerken, dass sie das akustische Bad in der Menge genießen. Sie wollen wahrgenommen werden – wenn es sein muss, mit Gewalt. In schöner Offenheit hat das einmal ein junger Mann ausgedrückt, der in sein Handy brüllte: "Irgendwer muss mir doch zuhören in diesem verdammten Land!"
Der Herr in der U2 dagegen war von anderem Schlag. Er unternahm einiges, um sich gegen unbefugte Zuhörer zu schützen. Natürlich nannte er keine Namen – außer seinem eigenen am Beginn des Gesprächs – und er sprach auch nicht übertrieben laut. Ihm war also offensichtlich an einer gewissen Diskretion gelegen – was sich bei dem heiklen Thema, das er abhandelte, ja von selbst versteht.
Eben deswegen ist es aber umso schwerer zu begreifen, dass ein professioneller, hoch seriös aussehender Herr Themen, die nicht für jedermanns Ohren bestimmt sind, überhaupt in der U-Bahn abhandelt. Fürchtet er sich nicht davor, dass ein Zuhörer sich aus den Informationsbruchstücken den richtigen Reim machen kann, daraufhin den von der Entlassung Bedrohten anruft und sagt: "Ich habe gerade in der U-Bahn erfahren, dass du deinen Job verlierst" ? Hat er kein Gefühl dafür, dass vertrauliche Gespräche dort geführt werden sollten, wo sie hingehören: in geschlossenen Räumen?
Offenbar nicht. Auch er gehört eben zu den Telefonierern neuesten Typs, die ohne Bedenken drauflos reden. Manche tun das, weil sie sich nach Publikum sehnen. Andere scheinen darauf zu vertrauen, dass sie im anonymen Gedränge der Großstadt sozusagen von einer unsichtbaren Wand vor allzu neugierigen Ohren geschützt sind. Vielleicht sollte man ihnen bei Gelegenheit zu verstehen geben, dass dieses Vertrauen nicht ganz berechtigt ist.
Freitag, 18. November 2005
http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3947&Alias=wzo&cob=207733
Nachricht von der BI Bad Dürkheim
Starmail - 18. Nov, 19:35