Fast wäre die Sache verjährt. Doch jetzt gibt der 1998 stillgelegte Kurzwellensender Schwarzenburg noch mal zu reden: Frühere Sendergegner und Gesundheitsgeschädigte planen eine Sammelklage und fordern Schadenersatz.
Wolf Röcken
1998 sendete Schweizer Radio International zum letzten Mal über den Kurzwellensender Schwarzenburg. Der Sender wurde danach stillgelegt. Aus wirtschaftlichen Gründen, sagte damals die Betreiberin PTT. Wegen der gesundheitsschädigenden Strahlen und des massiven Widerstandes der Bevölkerung, sagten die Sendergegner.
Fast zehn Jahre ist der Sender stumm geblieben, nicht aber die Diskussion um die Auswirkungen der Anlage. Wegen gesundheitlicher Folgen soll gegen die ehemaligen Betreiber noch dieses Jahr eine Sammelklage eingereicht werden, wie Hans-U.Jakob bestätigt. Er ist Präsident der Schweizerischen Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener mit Sitz in Schwarzenburg. Es gehe um Schadenersatzforderungen wegen Gesundheits-, Land- und Waldschäden, die der Sender verursacht habe. «Es gibt genug Beweise, die eine solche Klage rechtfertigen», sagt Jakob, damals einer der hartnäckigsten Sendergegner. Die IG will nun Geschädigte öffentlich aufrufen, sich zu melden und die Klage zu unterzeichnen.
Die singenden Regenrinnen
Die Strahlung des Senders in der Nähe des Dorfes Mamishaus führte in der Region zu merkwürdigen Effekten. An Häusern in Senderichtung ertönte Musik aus Dachrinnen, Maschinen begannen selbstständig zu arbeiten. Schwer wiegend waren die Folgen für die Gesundheit: Bewohner klagten über Schlafstörungen, Kopfweh, körperliche Schmerzen und Depressionen.
Die gesundheitlichen Auswirkungen wurden mehrfach untersucht - zum letzten Mal wenige Tage vor und nach der Senderschließung durch ein Team der Uni Bern. Die Resultate dieser Studie wurden aber erst im letzten Frühjahr veröffentlicht, sage und schreibe acht Jahre nach dem Ausschalten (wir berichteten). Diese Abschlussstudie kam zum Schluss, dass man annehmen könne, dass zwar ein direkter Zusammenhang zwischen dem Senderbetrieb und Schlafstörungen in der Bevölkerung bestehe. Allerdings, so hält die Studie fest, könne nicht unterschieden werden, welche Folgen biologisch verursacht würden und welche psychologisch seien, also lediglich gefühlt.
Verjährung unterbrechen
Die jetzt geplante provisorische Klage kommt im letzten Moment. Allfällige Schadenersatzforderungen werden Ende Jahr verjähren. «Mit der Klage wollen wir diese Frist unterbrechen, beziehungsweise verlängern», sagt Hans-U.Jakob. Außerdem wolle man klagen, bevor ein Jahr seit der Veröffentlichung der Abschlussstudie vergangen sei. Mündlich habe er schon von einigen Leuten gehört, die sich an der zivilrechtlichen Klage beteiligen würden, sagt Jakob.
Swisscom folgte auf PTT
Der 1939 gebaute Kurzwellensender Schwarzenburg wurde von der damaligen PTT betrieben. Falls es auf Grund der allfälligen Sammelklage zu Schadenersatzforderungen kommen sollte, wären diese an die Adresse der Swisscom Broadcast gerichtet. Dieses Unternehmen hat die Geschäfte im Bereich Sender von der früheren PTT übernommen.
http://www.bielertagblatt.ch/article.cfm?id=227670&startrow=7&ressort=Schweiz-BE&kap=bta&job=7921310