15
Apr
2006

Strahlung ist nicht unbedenklich

Bad Saulgau

Ist Strahlung, wie sie von Handys ausgeht, nun schädlich, oder nicht?

Viele widersprüchliche Studien verunsichern die Menschen. Die "SZ" hat deshalb den Neurobiologen Professor Peter Semm gefragt. Mitte der 90er Jahre hat er erforscht, welche Auswirkungen Handystrahlung auf Nervenzellen von Vögeln hat.

Von unserem Redaktionsmitglied Susanne Zamecki

SZ: Herr Semm, welche Wirkungen von Handystrahlung sind wissenschaftlich gesichert nachgewiesen?

Professor Peter Semm: Gesichert ist, dass es neben der Erwärmung wie bei einem Mikrowellenherd auch weitere Wirkungen von gepulster elektromagnetischer Strahlung, wie sie Handys ausstrahlen, gibt. Man weiß nur noch nicht, wie der zelluläre Mechanismus funktioniert.

SZ: Welche Effekte meinen Sie?

Semm: Die Forschungen, die ich mit Unterstützung der Telekom unternommen habe, haben gezeigt, dass über 60 Prozent der Nervenzellen der in der Studie untersuchten Zebrafinken auf Handystrahlung reagieren, zum Beispiel durch erhöhte Erregung. Außerdem gab es Hinweise auf Veränderungen im Melatonin-Haushalt von Tauben. Das ist das Hormon, das die innere Rhythmik des Körpers und den Schlaf regelt. Bis heute sind gesundheitliche Schäden nicht bewiesen, aber ich denke, dass wir uns einem Risiko aussetzen, weil wir die Mobiltelefone sehr nah an den Kopf halten. Es ist wahrscheinlich, dass es auf Dauer Auswirkungen hat, wenn die Nervenzellen gereizt werden. Leider durfte ich die Ergebnisse meiner Studie damals nicht veröffentlichen.

SZ: Wie hat das die Telekom begründet?

Semm: Sie haben gesagt, dass es ihnen zu gefährlich ist. Sie befürchteten einen Geschäftseinbruch, deshalb haben sie die Ergebnisse ganz bewusst in die Schublade gesteckt. Einen Teil der Ergebnisse, den über die Reaktionen der Nervenzellen, habe ich später dennoch veröffentlicht.

SZ: In Mengen wehren sich die Bürger gegen die Aufrüstung mit UMTS. Gibt es dazu Studien und wie beurteilen Sie sie?

Semm: Auch bei den Masten ist nichts nachgewiesen. Ich denke aber im Nahbereich, also innerhalb von 500 Meter, ist die Strahlung nicht ganz unbedenklich. Die gesetzlichen Grenzwerte bieten meiner Meinung nach auch keine Sicherheit, denn die sind recht willkürlich festgelegt.

SZ: Warum sind sich die Wissenschaftler beim Thema "Mobilfunk" so uneinig und die Studien so verwirrend?

Semm: Das Thema ist allgemein schwierig. Meist beschäftigen sich Biologen und Mediziner mit dem Thema, und die machen im Umgang mit der komplizierten Technik leider oft Fehler. Ich habe schon für einige Zeitschriften Studien zu diesem Thema untersucht und festgestellt, dass viele technisch nicht einwandfrei sind. Problematisch ist, wenn die Messapparaturen nicht reproduzierbar beschrieben sind, dass ist aber Vorraussetzung, um die Ergebnisse nachprüfen zu können. Sonst werden Studien nicht anerkannt. Jeder Seite in dieser Diskussion kann man Fehler vorwerfen.

SZ: Was raten Sie Menschen, die sich nicht mit dem Thema auskennen?

Semm: Jeder sollte sich ansehen, wer Auftraggeber dieser Forschungen ist. Eine gesunde Skepsis ist angebracht, weil eben so viele Fehler gemacht werden. Und auch, weil das Bundesamt für Strahlenschutz keinen - wie von mir vorgeschlagen - öffentlichen Versuch haben wollte, der die athermischen Reaktionen hätte belegen können.

(Stand: 13.04.2006 00:15)

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